Das SOFI im Jahr 2019

 

Entwicklung und Programmatik

„Digitalisierung“ und „öffentliche Güter“ – diese zentralen Forschungsthemen haben das Profil des SOFI auch in 2019 nachhaltig geprägt.

Ersteres wurde vor allem durch die SOFI-Tagung Work in Progress VI „Überbordende Erwartungen – gezähmte Praktiken? Arbeit in und an der Digitalisierung?“, die vom 28.-29.11.2019 mit über 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Wissenschaft, Politik und Verbänden im Historisches Gebäude der SUB Göttingen/Paulinerkirche in Göttingen stattfand, deutlich. Im Rahmen der zweitägigen und vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) geförderten Fachveranstaltung wurde mit den Gästen aus Wissenschaft und Praxis das „Warum“ und „Wie“ von Digitalisierungsprozessen und ihren Arbeitsfolgen anhand empirischer Befunde diskutiert. Der Fokus richtete sich daher auf das Spannungsverhältnis von gesellschaftlichen Technologieerwartungen und betrieblicher Technologierealität, auf betriebliche Digitalisierungs­praktiken und arbeitsrechtliche Regulierungen. Die Tagung bot Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Praktikerinnen und Praktikern Gelegenheit, sich über den aktuellen Forschungsstand zu Digitalisierung in der Arbeitswelt und im Betrieb auszutauschen. Das SOFI konnte sich auf diese Weise einmal mehr als Ort profilieren, an dem Forschungsergebnisse mit der Scientific Community diskutiert werden und wo Orientierungswissen für Praktikerinnen und Praktiker aus unterschiedlichen Kontexten (Unternehmen, Interessenvertretung, Verbände, öffentliche und staatliche Institutionen) bereitgestellt wird.

Seine Forschungsexpertisen zum Thema „Digitalisierung und Arbeit“ bringt das SOFI seit 2019 auch in das interdisziplinäre und standortübergreifende „Zentrum für digitale Innovationen Niedersachsen“ (ZDIN) ein. Hier ist das Institut unter der Federführung von SOFI-Direktor Dr. Martin Kuhlmann am Zukunftslabor „Gesellschaft und Arbeit“ beteiligt und trägt mit anderen Akteuren aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft zur Stärkung des Digitalisierungsstandorts Niedersachsen bei.

Die nachhaltige Entwicklung des Forschungsthemas „öffentliche Güter“, das vor allem durch die Arbeiten und Publikationen des geschäftsführenden Direktors  Prof. Dr. Berthold Vogel geprägt wird, zeigt sich durch zwei weitere im Berichtsjahr neu gestartete Projekte: Das vom MWK geförderte Projekt „Gleichwertigkeit – Mehr als eine gute Idee?!“ sowie das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt „Gesellschaftlich notwendige Dienstleistungen sicherstellen: Ist Arbeit am Gemeinwohl attraktiv?“. Beide neu akquirierten Forschungsvorhaben flankieren die bereits laufenden Projekte „Modellvorhaben Dorf ist nicht gleich Dorf“ sowie „Das Soziale-Orte-Konzept: Neue Infrastrukturen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt“. Das Forschungs-Portfolio zu gleichwertigen Lebensverhältnissen, zur Daseinsvorsorge, öffentlichen Gütern sowie zur Praxis des sozialen Zusammenhalts wird am SOFI somit erweitert und gestärkt.

Die dauerhafte Akkreditierung des am SOFI angesiedelten Projektverbunds eLabour unter der Leitung von SOFI-Direktorin Prof. Dr. Nicole Mayer-Ahuja zählt zu einer weiteren Entwicklung in 2019: So wurde auf der 52. Sitzung des Rats für Sozial- und Wirtschaftsdaten (RatSWD) die vorläufige Akkreditierung des interdisziplinären und am SOFI angesiedelten Projektverbunds eLabour verstetigt. eLabour hat somit die formellen Anforderungen eines Forschungsdatenzentrums erfüllt und befindet sich im Kreis der 34 vom RatSWD akkreditierten Forschungsdatenzentren, die einen kostengünstigen und einfachen Zugang zu einer Vielzahl von Forschungsdaten ermöglichen.

Seit 2019 ist das SOFI auch assoziierter Partner des Göttingen Campus. Dieser besteht aus dem Zusammenschluss der Universität Göttingen, der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) sowie acht außeruniversitären Forschungseinrichtungen (darunter fünf Max-Planck-Institute). Ergänzt wird der Göttingen Campus durch assoziierte Partner aus Wissenschaft, Wirtschaft und anderen öffentlichen Institutionen. Die Verbundenheit des SOFI mit der Georg-August-Universität wird durch die Kooperation im Göttingen Campus über die Anbindung als sogenanntes An-Institut zum Ausdruck gebracht.

Schließlich ist hervorzuheben, dass das SOFI im Jahr 2019 substantiell am Aufbau eines neuen, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanzierten nationalen Forschungsinstituts mitwirkte, das sich Fragen des gesellschaftlichen Zusammenhalts widmet – FGZ (Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt). Die Schwerpunktthemen des SOFI sind auch hier die Fragen, wie es um die Bedeutung öffentlicher Güter für gesellschaftlichen Zusammenhalt bestellt ist, und in welcher Weise die Digitalisierung auf die soziale Kohäsion in Betrieb, Beruf und Arbeitswelt einwirkt. Dieses neue Institut greift damit zentrale Themen der Zeitdiagnostik und der gesellschaftswissenschaftlichen Forschung auf. Für das SOFI ergibt sich auf diese Weise die Möglichkeit der Profilschärfung, aber auch zahlreicher neuer Kooperationen.

 

Sichtbarkeit des SOFI in Wissenschaft und Praxis

Als Ort ‚öffentlicher Soziologie‘ und im Sinne einer anwendungsorientierten Grundlagenforschung ist dem SOFI der Austausch mit der Fachöffentlichkeit ebenso wie der Transfer soziologischen Wissens in eine breite interessierte Öffentlichkeit ein zentrales Anliegen. Dieser Transfer spielte auch im Jahr 2019 in der Institutsarbeit eine zentrale Rolle.

So war das SOFI mit zahlreichen Vorträgen und Teilnahmen an Podiumsdiskussionen auf der Konferenz „Great Transformation: Die Zukunft moderner Gesellschaften“ vom 23.-27.09.2019 an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena vertreten, die von der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) und der Kollegforscherinnen und –forschergruppe der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) „Landnahme, Beschleunigung, Aktivierung. Dynamik und (De-)Stabilisierung moderner Wachstumsgesellschaften“ ausgerichtet wurde. Zudem war das SOFI auf dem Kongress der Österreichischen Gesellschaft für Soziologie (ÖGS) in Salzburg zum Thema „Alles im Wandel? Dynamiken und Kontinuitäten gegenwärtiger Gesellschaften“ und dem Kongress „Die Zukunft der Arbeit“ der Schweizerischen Gesellschaft für Soziologie (SGS) in Neuchâtel (Schweiz) im September 2019 mit Vorträgen vertreten.

SOFI-Forscherinnen und -Forscher waren in 2019 weiterhin an verschiedenen internationalen Veran­staltungen beteiligt. Hierzu zählen zum Beispiel die Teilnahmen an der Konferenz „Fathomless Futures: Algorithmic and Imagined“ der Society for the Advancement of Socio-Economics (SASE) in New York im Juni 2019 sowie an der 14. Konferenz der European Sociological Association (ESA) zum Thema „Europe and Beyond: Boundaries, Barriers and Belonging“ in Manchester im August 2019.

Im Berichtsjahr hat das Institut in Kooperation mit anderen wissenschaftlichen Partnern auch selbst internationale Fachveranstaltungen mit Beiträgen aus der SOFI-Forschung durchgeführt: Zum einen fand in Zusammenarbeit mit dem DFG-Research Network „Mixed Methods and Multi-Method Social Research“ und der Goettingen Graduate School of Social Sciences (GGG) am 23.-24.05.2019 die Tagung „Data Analysis and Sampling in Mixed Methods and Multimethod Social Research“ in Göttingen statt. Zum anderen richtete das SOFI gemeinsam mit dem International Centre for Advanced Studies „Metamorphoses of the Political“ und dem Centre for Modern Indian Studies (CeMIS) der Universität Göttingen am 20.-22.11.2019 den Workshop „Formalisation, Informalisation and the Labour Process: Comparative Perspectives“ aus.

Auch im Rahmen des Wissenstransfers war das Institut in 2019 an öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen beteiligt, die sich an verschiedene Zielgruppen richtete: Hierzu zählt zum Beispiel die „4. Nacht des Wissens“ am 26.01.2019 in Göttingen, an der das SOFI mit der Diskussionsveranstaltung „Was hält Gesellschaften zusammen und was treibt sie auseinander?“ und einer dazugehörigen Umfrage teilnahm. Anhand aktueller SOFI-Projekte wurden Fragen zum Zusammenhalt mit dem Publikum diskutiert: Wirken Arbeit und Betriebe angesichts pluraler Erwerbsformen, aufgespaltener Belegschaften und Digitalisierung noch integrierend? Können Familien prekäre Erwerbseinbindungen kompensieren? Wie ist es um öffentliche Güter und Justiz als Infrastrukturen des Zusammenhalts bestellt? Welche Folgen ergeben sich aus der Finanzkrise?

Darüber hinaus war das Institut – wie im Jahr zuvor – als Programmpartner mit mehreren Beiträgen an der von der Hans-Böckler-Stiftung veranstalteten Wissenschafts- und Praxismesse „LABOR.A-Plattform ‚Arbeit der Zukunft“ in Berlin zu Gast. Mit inhaltlichen Inputs und drei „Speaker’s Corner“-Vorträgen und einer Session zur beruflichen Aus- und Weiterbildung sowie Projekt-Präsentationen zu „Externen Erwerbstätigen in wissensbasierten Beschäftigungsfeldern“ und der „Arbeitsgestaltung kollaborativer IT-Anwendungen“ konnte das Institut den Austausch zwischen Forschung, Politik, Gewerkschaften, Verbänden, Wirtschaft und Medien dafür nutzen, sich als wichtiger Ansprechpartner mit Befunden und Einschätzungen zur „Arbeit der Zukunft“ zu präsentieren.

Für die Wahrnehmung des SOFI als Ort profunder Forschungsexpertise und Vermittler soziologischen Wissens über die Fachöffentlichkeit hinaus sprechen exemplarisch ausgewählte Veranstaltungen, an denen das SOFI-Direktorium teilnahm: So wirkte Berthold Vogel als einer von vier Ideenpaten aus Wissenschaft, Politik und Gewerkschaft an der LABOR.A 2019 mit, die die Veranstaltung begleiteten und Highlights aus den vorgestellten „Ideen für Arbeit“ präsentierten. Zudem sprach er auf dem zentralen Festakt zum 70-jährigen Bestehen des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) am 21.10.2019 in Berlin unter Beteiligung der Bundeskanzlerin Angela Merkel und des DGB-Vorsitzenden Reiner Hoffmann über die Bedeutung des DGB für Gemeinwohl und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Letzteres war auch Thema einer Abendveranstaltung des 28. Göttinger Literaturherbstes: Hier diskutierte Berthold Vogel mit Bernhard Reuter, Landrat des Landkreises Göttingen und Vizepräsident des Deutschen Landkreistags über das mit Jens Kersten und Claudia Neu gemeinsam verfasste Buch „Politik des Zusammenhalts: Über Demokratie und Bürokratie“, das 2019 erschienen ist.

Das programmatische SOFI-Thema „Digitalisierung und Arbeit“ stand hingegen im Fokus von Veran­staltungsbeiträgen Nicole Mayer-Ahujas und Martin Kuhlmanns. So sprach Nicole Mayer-Ahuja beim Neujahrsempfang der IG Metall in Frankfurt am Main über das Thema „‚Gute Arbeit‘ in Zeiten der Digitalisierung. Herausforderungen für gewerkschaftliche Politik“ und nahm mit ihrem Vortrag „Digitalisierung – in und jenseits der Industrie“ am 31.10.2019 ebenso an Feierlichkeiten anlässlich des 70-jährigen Jubiläums des DGB teil.

Ausgewählte Beiträge Martin Kuhlmanns verdeutlichen darüber hinaus, zu welch unterschiedlichen Transfer-Veranstaltungen (Digitalisierungs-)Expertinnen und -Experten des SOFI eingeladen werden: Zum einen referierte er auf Einladung des Industrie-Clubs Hannover e. V. und der Deutschen Messe Technology Academy GmbH im Februar 2019 über das Thema „Digitale Transformation der Arbeit: neue Wege der Qualifizierung und Kollaboration“ und stellte am 18.09.2019 auf dem Jahressymposium „Gesundheit in der Arbeitswelt 4.0“ der AOK Niedersachsen in Hannover „Gesundheitsbezogene Herausforderungen der Arbeitswelt 4.0 – Erkenntnisse der SOFI-Studie“ vor. Zum anderen war Martin Kuhlmann am 36. Internationalen Kongress für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (A+A Kongress) in Düsseldorf mit dem Vortrag „Digitalisierung und Arbeit in der Logistik – Wie geht es weiter mit der Einfacharbeit?“ vertreten.

Auch zu Veranstaltungen niedersächsischer Juristinnen und Juristen wurde das SOFI im Berichtsjahr geladen: So wurden die Forschungsergebnisse des vom MWK geförderten Projekts „Die Hüter von Recht und Ordnung? Generationenwandel und institutionelle Kultur in der Rechtsprechung“ zur Nachwuchsgewinnung und dem professionellen Selbstverständnis von Justizjuristinnen und -juristen von Prof. Dr. Berthold Vogel und Dr. Birgit Apitzsch in den niedersächsischen Oberlandesgerichten und Generalstaatsanwaltschaften vorgestellt und diskutiert. Darüber hinaus war das SOFI mit dem Beitrag „Chancen und Risiken des Einsatzes von Legal Tech im Bereich des Arbeits- und Sozialrechts“ auf der „Arbeitstagung der Richterinnen und Richter für Arbeitssachen des Landes Niedersachsen“ am 28.11.2019 in Barsinghausen vertreten.

Die Vernetzung und der Austausch mit Unternehmen und anderen Forschungseinrichtungen in Nie­dersachsen stand hingegen im Fokus des „European Innovators Jahresnetzwerktreffens 2019“ am 21.11.2019 in Hannover. An der gemeinsamen Veranstaltung der NBank und des MWK war das SOFI erstmals zu Gast und im Cluster „Culture, Creativity & Inclusiv Society-Pitches“ mit einer Präsentation über die Forschungsthemen des Instituts beteiligt.

In den Dialog mit den an der SOFI-Forschung interessierten Bürgerinnen und Bürgern trat das Institut im Berichtsjahr auch durch Transferformate in ländlichen Regionen Niedersachsens, um mehr über die lokalen Lebensverhältnisse zu erfahren. Unter dem Motto „Das SOFI geht aufs Land“ fanden beispielsweise im Projekt „Gleichwertigkeit – Mehr als eine gute Idee?!“, das darauf abzielt, den Austausch zwischen Wissenschaft, Praxis und lokalen Akteuren zu befördern und auf die Relevanz des ländlichen Raums hinzuweisen, zwei Veranstaltungen statt: So startete das Projekt im Juni 2019 mit einer offiziellen Auftaktveranstaltung in Kuventhal im Landkreis Northeim, bei der eine Ortsbegehung und Projektvorstellung sowie die Gesprächsrunde mit Dorfbewohnerinnen und -bewohnern im Mittelpunkt standen. Auf seiner Reise durch Dörfer und Kleinstädte in Südniedersachsen steuerte das Projekt im September 2019 auch den Ort Kirchbrak im Landkreis Holzminden an, um in einer mobilen Gesprächsrunde zum Thema „ERINNERUNG – AUGENBLICK – VISION“ mit den Bewohnerinnen und -bewohnern sowie externen Gästen über die Themen Versorgung, lokale Industrie, Kirche und Vereinsleben zu diskutieren. Dokumentiert wurden alle Aktivitäten des Transferprojekts durch den projektbegleitenden Blog, der als weitere Dialogplattform von Bürgerinnen und Bürgern mit den Projektmitarbeitenden dient: www.sofi-gleichwertigkeit-blog.de