Zu Formen und Folgen prekärer Beschäftigung liegen solide und umfangreiche sozialwissenschaftliche Kenntnisse vor. Sehr viel weniger wissen wir in der Sozialforschung hingegen über die sozialen Kontexte, in denen prekäre Beschäftigung stattfindet. Insbesondere der Haushalt als Lebenszusammenhang und Wirtschaftsgemeinschaft bedarf deutlich stärkerer soziologischer Aufmerksamkeit. Zwar werden in der sozialpolitischen Debatte die kompensatorischen Kräfte in Familie, sozialen Netzen und räumlicher Umwelt oftmals geradezu beschworen, doch eine systematische Forschung zu Kompensations- und Belastungseffekten fehlt weitgehend. Solange deren Stellenwert nicht systematisch erfasst ist, kann das Gefährdungs- und Ausgrenzungspotential unsicherer Erwerbsbeteiligung nur unzureichend bestimmt werden. Ziel des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) über drei Jahre geförderten Forschungsprojekts ist es, durch die Zusammenschau von Arbeitsverhältnissen und Lebensbedingungen Haushaltskontexte systematisch in den Blick zu nehmen. Im Fokus stehen Bewältigungsstrategien von Haushalten, die mit prekären Beschäftigungswirklichkeiten konfrontiert sind.
Das Forschungsprojekt richtet seine Aufmerksamkeit somit auf die soziale Lebens- und Wirtschaftsform von Haushalten und Familien in Zeiten wachsender prekärer Beschäftigung. Die zentrale Frage ist, in welcher Weise unterschiedliche Haushaltsformen „bewirtschaftet“ werden, die dauerhaft oder wiederkehrend mit prekären Beschäftigungsverhältnissen konfrontiert sind? Bildet der Haushalt eine Kraftquelle, um prekäre Arbeits- und Lebenssituationen bewältigen zu können oder wirkt er eher als Prekaritätsbeschleuniger? Welche Rolle spielen in der Haushaltsführung bzw. in der „Bewirtschaftung“ des Haushalts Unterstützungsformen von außen? Hier ist an Verwandte und soziale Nahbeziehungen zu denken, aber auch an öffentliche Infrastrukturangebote und staatliche Transferleistungen. Kommt es aufgrund der Veränderung der Lebensformen und Haushaltsstrukturen zu einem Bedeutungsgewinn familiärer Bindungen oder sozialer Netzwerke bei der Bewältigung prekärer sozialer Lagen?
Um diese Fragen beantworten zu können, werden unterschiedliche Haushaltskonstellationen, die vollständig und über eine längere Zeit von unsicheren Beschäftigungsformen getragen werden, mittels biografisch-narrativer Haushaltsinterviews untersucht. Einbezogen werden möglichst unterschiedliche Haushaltsformen (Ein-Personen-Haushalte, Paare ohne Kinder, Paare mit Kindern, Alleinerziehende, Mehrgenerationenhaushalte etc.) sowie Migrantinnen und Migranten in verschiedenen Haushalten. Methodisch konzentriert sich das Projekt auf Haushaltsinterviews mit allen Haushaltsangehörigen (ab 16 Jahren) und Personen, die außerhalb des Haushalts eine wesentliche Rolle für den Haushalt spielen. Möglichst 30 bis 40 Haushalte sollen so in der explorativ angelegten Studie erfasst werden. Der Schwerpunkt wird damit von Individualbiografien auf Haushalte und Familien, auf deren gemeinsame Geschichte sowie auf deren Lebensführungsmuster und Bewältigungsstrategien verschoben. Das Projekt erweitert den Blick auf die sozialen Folgen prekärer Beschäftigung: Prekarität wird nicht mehr als individuelles Problem betrachtet, sondern als eine kollektive Herausforderung im Haushaltskontext.