Projektinhalt

Gesamtprojekt

Das Ziel dieses interdisziplinären Kooperationsprojekts war die Entwicklung und Erprobung eines regional genutzten multimedialen Nachrichtensystems ("Full Service Network") auf der Basis der vorhandenen Breitbandkabelnetze mit integriertem Rückkanal. Unter Zugrundelegung dieser Infrastruktur sollten im Verbund der drei kooperierenden Institute die technischen und künstlerisch-gestalterischen Voraussetzungen sowie mögliche und gesellschaftlich sinnvolle Nutzungs- und Anwendungsszenarien entwickelt werden.

Konkret war neben Untersuchungen zur Optimierung der Übertragungsparameter und Studien zur optimalen Aufteilung der verfügbaren Datenrate auf verschiedene Nutzer die Erstellung eines Prototyps geplant, der ohne besondere Computerkenntnisse bedienbar ist und in einer Pilotphase anhand beispielhafter Inhalte mit unterschiedlichen Anwendern erprobt werden sollte. Zum anderen ging es um die Klärung der sozialen Voraussetzungen für ein regional genutztes multimediales Nachrichtensystem: Die Entstehung eines attraktiven inhaltlichen Angebots, die Eröffnung breitflächiger Zugangsmöglichkeiten für Nutzer innerhalb des regionalen Einzugsgebiets sowie die Entwicklung tragfähiger institutioneller Arrangements zwischen Netz-, Dienstbetreibern und Inhaltsanbietern.

Projektpartner waren das Institut für Nachrichtentechnik der TU Braunschweig, das Institut für Medienwissenschaft und Film der HBK Braunschweig und das Soziologische Forschungsinstitut Göttingen.

Das Institut für Nachrichtentechnik ist auf verschiedenen Gebieten der Übertragungstechnik, Endgerätetechnik, Quellencodierung und Meßtechnik tätig. Insbesondere langjährige Erfahrungen aus Arbeiten im Umfeld des digitalen Fernsehens, an dessen Standardisierung der Institutsleiter an führender Stelle beteiligt ist, werden vom IFN in die Entwicklung des Full Service Networks eingebracht.

Das Institut für Medienwissenschaft und Film (IMF) arbeitet im Spannungsfeld von Medienpraxis, Medienwissenschaft und Medienrezeption. Lehr- und Forschungsbereiche sind neben der künstlerisch-experimentellen Film- und Videoproduktion (Filmklasse) vor allem designbezogene Anwendungen im Industrie-und Informationsfilm und den Neuen Medien(Multimedia- und Netz-Applikationen, High-end-Computeranimation). Das IMF wird besonders seine Kompetenz in der gestalterisch-konzeptionellen Planung und Realisierung von nutzerorientierten Bedienoberflächen und Navigationssystemen in das Projekt einbringen.

Das Soziologische Forschungsinstitut Göttingen (SOFI) beschäftigt sich mit den sozialen Voraussetzungen und Folgen technisch-organisatorischen Wandels in Industrie und Dienstleistungen. Im Kontext des Kooperationsprojekts sind vor allem Untersuchungen des SOFI zur Restrukturierung des Dienstleistungssektors, zur Entwicklungsdynamik von Online-Diensten sowie zum Stellenwert von Nutzungs- und Konsumformen in Innovationsprozessen von Bedeutung.


 

Die Aufgaben des SOFI

 

In gesellschaftlich-kulturell-gestalterischer Perspektive besteht das Ziel darin, die sozialen Voraussetzungen und Folgen eines Entwicklungspfades regional genutzter multimedialer Online-Dienste zu entschlüsseln. Im Mittelpunkt stehen die sozialen Voraussetzungen für Informations- und Kommunikationssysteme, die sich stärker als die bisherigen Online-Dienste an bestehende Lebenswelten und Alltagspraktiken jener gesellschaftlichen Akteure anpassen, die gegenwärtig zu den Noch-Nicht-Nutzern zählen. Für die Konzentration auf regionale Online-Dienste spricht, daß die Region einen - im Vergleich zum weltweit angelegten INTERNET - begrenzten Bezugsraum schafft. Dieser bietet einerseits die Möglichkeit, multimediale Informationen und Kommunikation auf konkrete (konventionelle) Alltagspraktiken zu beziehen. Andererseits wurde vermutet, daß eine räumliche Begrenzung eine Eingrenzung des Angebots nach sich zieht und sich damit die Voraussetzungen für die Strukturierung des Angebots verbessern.   


Das Projekt sollte klären, welche Strategien die Inhaltsanbieter regional genutzter multimedialer Online-Dienste verfolgen und welche Konturen des inhaltlichen Angebots sich hieraus ergeben; welche Akteure die Entstehung regionaler Online-Dienste betreiben und welche institutionellen Arrangements hierbei entstehen. Auf dieser Grundlage sind Aussagen über die Konturen wie die Entwicklungsperspektiven eines alternativen ("regionalen") Entwicklungspfades multimedialer Informations- und Kommunikationskienste möglich.


August 97

Alltagstauglichkeit von Online-Diensten - Studie zu den Voraussetzungen der Diffussion interaktiver Medien

 

Ausgangspunkt unserer Untersuchung war die Tatsache, daß Internet und Online-Dienste bislang für die Alltagspraxis privater Haushalte nur geringe Bedeutung haben. Eine solche Alltagsrelevanz ist aber die zentrale Voraussetzung dafür, daß interaktive Medien breitflächig in den privaten Konsum Eingang finden und die Haushalte bereit sind, hierfür Geld und Zeit einzusetzen.  

Allerdings lassen sich gegenwärtig eine Reihe von Entwicklungen beobachten, die das neue Medium über den Kreis bisheriger Nutzer und Nutzungen hinaus öffnen könnten. Die SOFI-Untersuchung interessierte sich dabei insbesondere für folgende Entwicklungen:  


  • Neue Inhalte: verstärktes Auftreten professioneller Inhaltsanbieter und bessere Anpassung der Angebotsform an die Möglichkeiten interaktiver Dienste (Telebanking, Teleshopping).

 

  • Regionalisierung: Entwicklung von Angeboten, die den regionalen Bezug des Alltagshandelns der privaten Haushalte aufgreifen (Informationen von Behörden, Fahrpläne, Veranstaltungskalender).

 

  • Strukturierung: Bündelung des inhaltlichen Angebotes unter thematischen, funktionalen und regionalen Gesichtspunkten (Push-Channel, Shopping Mall, digitale Städte).

 

  • Neue Zugangswege: Übertragungswege mit größeren Bandbreiten, z.B. durch Nutzung des digitalisierten TV-Kabelnetzes.

 

  • Neue Endgeräte: z.B. webfähige TV-Geräte.  

 


Wir führten Gespräche mit Inhaltsanbietern, Netzbetreibern, Diensteanbietern und Geräteherstellern, um die Tragfähigkeit und Durchsetzungsprobleme dieser Entwicklungen zu identifizieren.  
Die SOFI-Studie war Teil des Forschungsverbundes "Full Service Networks als Plattform für multimediale Applikationen", der vom niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst gefördert wurde. Am Forschungsprogramm waren neben dem SOFI beteiligt:  

 

  • Ein Projekt des Instituts für Nachrichtentechnik der TU Braunschweig (Prof. Dr.-Ing. Reimers) erarbeitet die technische Spezifikation eines interaktiven Kanals (Digital Video Broadcast - Return Channel) für das digitalisierte Kabelnetz. Dabei steht ein europäischer Standardisierungsvorschlag der ETSI für den DVB-RC im Mittelpunkt, um eine breitflächige Nutzung der TV-Kabelnetze nicht durch proprietäre Lösungen zu blockieren.

 

  • Ein Projekt der Hochschule für bildende Künste Braunschweig (Prof. Korte) arbeitet an der Ausnutzung der gestalterischen Möglichkeiten des DVB-RC; Ziel ist die Entwicklung einer attraktiven Benutzeroberfläche für computerferne Nutzer.