Teilprojekt O-4:Auswirkungen der Internetökonomie auf Arbeit und Beschäftigung in der Medienbranche
Statusbericht 2006
Ergebnisbericht Stand Juni 2006
Carmen Lanfer, M.A.; Dr. Klaus Peter Wittemann
1. Fragestellungen und Forschungsmethodik
Im Rahmen des Teilprojekts Auswirkungen der Internetökonomie auf Arbeit und Beschäftigung in der Medienbranche wird untersucht, inwiefern sich durch das Aufkommen des Internet als Produktions-, Distributions- und Produkttechnologie Bedingungen und Inhalte von Arbeit und Beschäftigung in der Medienbranche verändert haben. Dabei betrachten wir folgende drei Veränderungsdimensionen:
• Wie verändern sich Produktion und Arbeit?
Zum einen fragen wir uns, in welcher Weise die technischen und arbeitsorganisatorischen Möglichkeiten des Internet in der Arbeit genutzt werden, um die Art zu verändern, wie Inhalte für Medien produziert werden. Durch die Nutzungsweise werden Arbeit und Arbeitsorganisation berührt, was sich auch darauf auswirken dürfte, wie Arbeitsplätze in der Branche zugeschnitten werden. Wir fragen, wie die jeweils gewählten Lösungen die Qualifikationen der hier Tätigen berühren und gegebenenfalls auf die Ausbildungsprofile durchschlagen und damit die Arbeit der Zukunft prägen.
• Was kennzeichnet neue Medienprodukte?
Zum anderen gehen wir davon aus, dass die Medienprodukte selbst durch das Internet verändert werden. Gerade Medienprodukte im Internet besitzen eine Reihe von Eigenschaften, die Gebrauchswertpotentiale beinhalten, die zu genuin neuen Produkten führen können, etwa wenn Medientypen neu kombiniert und Medienzugänge neu definiert werden. Neue, heute erst in Ansätzen erkennbare Produkte setzen inhaltliche Anforderungen an Inhalt und Qualifikationsprofil der Arbeit, die diese Produkte erzeugt. Deshalb fragen wir, welche Veränderungen von Arbeit in Abhängigkeit vom zu erstellenden Medienprodukt stattfinden.
• Wer spielt bei der Produktion von Online-Content welche Rolle?
Die Arbeitsvollzüge und die Medienprodukte dürften durch das Internet Veränderungen erfahren, so dass sich auch das Gefüge der Medienbranche verändert, wenn nämlich mit dem Internetnet Akteure neuen bzw. veränderten Typs in die Produktion von Medieninhalten eintreten. Klassische Akteure wie Medienunternehmen sind auch zu Inhalteanbietern im Internet geworden und suchen noch adäquate Geschäftsmodelle für diese Plattform. Daneben treffen wir auch auf neue gewerbliche Akteure, die kein Offline-Äquivalent besitzen (wie z.B. Google), Quereinsteiger und auch auf „professionelle Amateure“, die ebenfalls Mediencontent produzieren, aber dies ohne Geschäftsmodell im engeren Sinne tun. Noch ist nicht absehbar, welche Rolle die genannten Akteure jeweils bzw. im Verhältnis zueinander - auch zukünftig - spielen und welche Medienprodukte sie jeweils besonders prägen. Deshalb wollen wir analysieren, wer bei der Online-Contentproduktion welche Rolle spielt. In dieser Dimension geht es nicht nur um veränderte Inhalte der Arbeit, sondern auch um ihre veränderte Erwerbsförmigkeit.
Um diese Fragestellungen zu bearbeiten, werden drei sozialwissenschaftliche Zugriffsarten auf das Forschungsfeld Medienbranche miteinander kombiniert:
• Beschreibung der quantitativen Veränderungen von Arbeit und Beschäftigung anhand von Sekundäranalysen der Erwerbs- und Beschäftigtenstatistik,
• Überblicksrecherchen, um Aussagen zur strukturellen Entwicklung der Medienbranche treffen zu können,
• Beschreibung der qualitativen Veränderungen von Arbeit und Beschäftigung anhand von Einzelfallstudien, Expertengesprächen und Beschäftigteninterviews.
2. Befunde zur quantitativen Beschäftigtenentwicklung
Bei der Medienbranche handelt es sich um ein Feld, für das keine allgemein gültige oder verbindliche Branchendefinition vorliegt. Eine zentrale Voraussetzung für unsere Forschungen bestand deshalb darin, eine eigene Branchenabgrenzung zu entwickeln (Basis: Wirtschaftszweigklassifikation), die es ermöglicht, sowohl Aussagen zur Beschäftigungsentwicklung der Gesamtbranche als auch ihrer Teilsektoren zu machen. Unsere Branchendefinition ist zweiteilig ausgerichtet: Die enge Branchenabgrenzung bezieht sich auf die Produktion und Verbreitung von Inhalten (Printmedien, Rund¬funk¬, Filmbranche, Musik, Werbung, Korrespondenz und Nachrichtenbüros/selbständige Jour¬nalisten); als erweiterte Branchenteile zählen solche Wirtschaftszweige, die die nötige Infrastruktur entwickeln und bereitstellen (Fernmeldedienste, Softwareberatung und -entwicklung, Datenverarbeitungsdienste). Auf Basis dieser Branchenabgrenzung werden nun jährlich Sonder¬aus¬wer¬tungen der Beschäftigtenstatistik der Bundesagentur für Arbeit sekundäranalytisch aufbereitet und ausgewertet. Dabei wurde sowohl die Beschäftigtenentwicklung der Gesamtbranche als auch die der Einzelsektoren bislang für den Zeitraum 1999 bis 2004 betrachtet, der als zentral für die Entwicklung des Internet und seiner Nutzung gilt. Für die gesamte Branche ist ein dachförmiger Verlauf in der Beschäftigtenentwicklung charak¬te¬ris¬tisch: Nach Anstiegen in den Jahren 1999/2000 erreichen die Be¬schäf¬tig¬ten¬zahlen im Jahr 2001 ihren Höhe und gleichzeitigen Wendepunkt, mit Ende des Jahres sinken die Beschäftigtenzahlen. Die Befunde verweisen aber auch Veränderungsdynamiken in den Teilbereichen der Branche. Wichtig sind dabei vor allem die beschäftigungsstarken Bereiche Print und Werbung, die zusammen über 70% der Beschäftigten der engen Branchenabgrenzung stellen. Der Bereich Printmedien nimmt über den Betrachtungszeitraum hinweg eine deutlich negative Entwicklung; dies gilt speziell für den Druckbereich. Auch der Bereich Werbung hat insbesondere seit Ende 2001 starke Einbrüche bei den Beschäftigtenzahlen zu verzeichnen, kann aber wegen anfänglicher starker Zuwächse über den gesamten Betrachtungszeitraum hinweg positive Bilanz ziehen.
Die Gründe für die Beschäftigungsentwicklung der Medienbranche lassen sich nicht eindeutig bestimmen, denn es ist davon auszugehen, dass neben der tech¬nologischen Entwicklung weitere Faktoren auf die Beschäftigung einwirken: So verschwanden mit dem Ende der Boomjahre der New Economy (1999/2000) zahlreiche Unternehmen – auch aus der Medienbranche – gänzlich vom Markt, und es kam zu einer Welle von Entlassungen. Andere Unternehmen kürzten ihre Werbeetats drastisch – mit weit reichenden Folgen für die Me¬dien¬branche, die in starker Abhängigkeit zur werbetreibenden Wirtschaft steht. Personalabbau, Gehaltskürzungen oder das Einstellen bestimmter Inhalteformate gehören zu den Konsequenzen. Damit erweist es sich als diffizil, eindeutige Aussagen zum Zusammenhang von Internet und Beschäftigungsentwicklung in der Medienbranche zu machen. Das Problem dieses ursächlichen Zusammenhangs lässt sich auf Basis einer sekundäranalytischen Datenaufbereitung allein nicht hinlänglich an¬ge¬hen. Hieraus leitet sich die Notwenigkeit ab, mit Hilfe qualitativer Analysen erweiterte Einsichten zum Zusammenhang zwischen dem Veränderungsimpuls Internet – vermittelt über betriebliche Strategien – und seiner Wirkung auf verschiedene Dimensionen von Arbeit und Beschäftigung zu erlangen. Bei der Medienbranche handelt es sich um eine komplexe wie auch heterogene Branche, die sich nicht als „ein großes Ganzes“ abbilden lässt. Deshalb dienen die qualitativen Analysen auch dazu, bestimmte sich abzeichnende Muster und Entwicklungen herauszuarbeiten.
3. Medienfunktionen, Medientechnik und Wandel der Medienbranche
Im Rahmen der Überblicksrecherchen haben wir eine strukturelle Analyse der Medienbranche erarbeitet, die es uns zum einen ermöglicht, die Entwicklungen und Verschiebungen der Branche festzuhalten, zum anderen – und deshalb sind sie ein wiederkehrendes Element unserer Forschungen – erlauben sie es, die Befunde aus den qualitativen Forschungen jeweils in eine Gesamtentwicklung der Branche einzuordnen und weiter zu präzisieren.
Die Überblicksrecherchen haben ergeben, dass sich die für die Medienbranche spezifischen Auswirkungen des Internet insbesondere im Bereich der Content-Produktion bündeln und es zu einer Neu- bzw. Umstrukturierung dieser Teile der Medienfunktionskette kommt. Die Erstellung und Aufbereitung des Mediencontents und die Nutzung von Medien lassen sich in Form einer Medienfunktionskette beschreiben, die arbeitsteilig organisiert ist und bestimmte Stufen im Sinne von Aufgaben und Funktionen aufweist. Diejenigen, die z.B. für die Produktion des Mediencontents verantwortlich sind, werden nur auf bestimmten Stufen innerhalb der Medienfunktionskette aktiv, andere Stufen übernehmen z.B. die Nutzer und Verteiler. Die im Folgenden zu erläuternde Medienfunktionskette ist analytisch oberhalb konkreter Medientechnik und -produktion angesiedelt.
Zur Medienfunktionskette gehören aus unserer Sicht folgende Stufen (vgl. Grafik): An ihrem Beginn steht die Produktion des Rohmaterials. Auf dieser Stufe geht es darum, auf welche Quellen sich der Mediencontent stützen kann und welche Bezugsgruppen relevant sind. Hierzu zählen Nachrichtenagenturen und Mediendienste als Lieferanten. Dieses „Fremdmaterial“ dient als Basis für die weitere Redaktionsarbeit und ersetzt oftmals die eigene Recherche der Contentproduzenten in den Medien. Der Rohinhalt kann unterschiedliche mediale Formen haben, er kann als Text, Bild, Video oder auch mündlich vorliegen, sein Realitätsbezug kann unterschiedlich sein (vom Börsenkurs über die „Tagesschau“ bis Spielfilm).
Abbildung 1: Medienfunktionskette
Darauf folgen die eigentlichen redaktionellen Arbeiten. Hierzu gehören das Auswählen, Recherchieren, Sammeln, Strukturieren, Bearbeiten, Anreichern und Bündeln zu einem fertigen Inhalt des Medienprodukts sowie die Qualitätssicherung. In der Medienfunktionskette schließt sich der gestalterische Bereich des Layouts an sowie die grafische Umsetzung. Mit dem Geschäftsmodell von Medien untrennbar verbunden ist die Werbung. Viele Medienformate beruhen auf werbefinanzierten Geschäftsmodellen; der Anteil der Werbung am Gesamtumsatz im Medienmarkt liegt bspw. bei Zeitungen/Zeitschriften bei ca. 60%, beim Privat-TV bei ca. 90%. Die Bündelung fasst nicht nur Werbung und einen redaktionellen Beitrag zusammen, sondern hat auch eine übergreifende Funktion wie etwa die Zeitung oder das Programm beim Fernsehen. Diese Art der Bündelung ist für das Verhältnis Inhaltsanbieter – Nutzer von Bedeutung und wird durch die verschiedenen Medientechniken unterschiedlich stark gestützt; die Bündelung kann zur Layout-Funktion gerechnet werden.
Daran schließt sich die Funktion der Produktion an, das bedeutet, der Medieninhalt erhält seine Form (er wird zu einem Text, einem Radiobericht, einem Musikstück etc.). Dann werden die Produkte verteilt, was entweder über das push-Verfahren (der Kommunikationsfluss verläuft hier primär in einer Richtung vom Sender zum Empfänger, wie z.B. bei Rundfunk und Fernsehen) oder das pull-Verfahren realisiert wird, wie beispielsweise beim Internet, wo der Nutzer als Empfänger sich selbst die Inhalte sozusagen „herbeiziehen“ muss. Schließlich erfolgt die eigentliche Mediennutzung.
Sowohl die Überblicksrecherchen als auch die qualitativen Analysen haben ergeben, dass das Veränderungspotenzial durch das Internet insbesondere innerhalb der redaktionellen Funktionen erheblich ist: Wir konnten bspw. feststellen, dass die Zugangsschwelle zur Contentproduktion durch das Internet gerade hier stark gesenkt worden ist. Durch das Internet und seine Hyperlinkstruktur ist die Aufnahmefähigkeit des Mediums für Inhalte stark gestiegen, woraus sich die Frage ableitet, wer solche Inhalte produziert, sie redaktionell bearbeitet und aufbereitet und innerhalb welchen sozialen Kontextes dies geschieht.
Die oben skizzierte Medienfunktionskette hat (historisch betrachtet) unterschiedliche Ausprägungen erfahren, die bis in die Gegenwart hinein – auch unter der Breitenwirkung des Internet – als Segmente der Branche nebeneinander bestehen. Zentrale Segmente unter den Gesichtspunkten ihres ökonomischen wie kulturellen Gewichts innerhalb der Branche sind die auf der Drucktechnik basierende Zeitung und Zeitschrift (aktuelle Printmedien), Hörfunk und Fernsehen (Rundfunk/TV) sowie als dritter Bereich die Audio- und Video-„Konserven“ CD und DVD, die insbesondere deshalb von Interesse sind, weil sie aktuell aufgrund ihrer vergleichsweise einfachen Reproduzierbarkeit und damit Kopieranfälligkeit unter großem Druck seitens internetbasierter Funktionsäquivalente stehen. Alle drei Segmente sind in ihrer historischen Ausprägung sehr stark von der verwendeten Haupttechnik (Druck etc.) geprägt worden und weisen darauf bezogene Geschäftsmodelle auf. Für unsere Forschungen leitet sich aus dieser historischen Entwicklung die Frage ab, inwiefern sie für die Potentiale des Internet als Produkt- und Produktionstechnologie aufgeschlossen sind. Bezogen auf die redaktionellen Funktionen haben sie in der Vergangenheit wie in der Gegenwart je nach der vorhandenen Technik bestimmte Ausprägungen erfahren. Relevant ist in diesem Zusammenhang, wie die zu erfüllenden Funktionen durch einen Wechsel der Haupttechnik und der Anpassung der Geschäftsmodelle evtl. modifiziert werden bzw. eine Neugestaltung erfahren und auch neue Akteure an der Funktionserfüllung beteiligt sind (vgl. 4.).
4. Befunde der qualitativen Analysen
4.1 Internet als Arbeitsmittel – Veränderungen von Arbeit durch Reorganisation der Inhaltserstellung
Die Verwendung des Internet als Arbeitsmittel hatte einen zeitlichen Vorlauf bereits in der Phase der Einführung computergestützter Medienherstellung bei der Bildbearbeitung und der digitalen Druckvorstufe: Das Produkt wurde noch vor weniger als zwei Jahrzehnten (etwa bei den Printmedien) erst nach Verlassen der Redaktionen von speziellen Datenerfassern digitalisiert. Die dann zügige Verbreitung des PCs bereitete den Datenaustausch ohne Medienbrüche vor und machte E-Mail zu einem wichtigen Arbeitsmittel, das für Zeitersparnis, Vermeidung von Übertragungsfehlern und damit für Rationalisierungseffekte und einen verbesserten Workflow steht. Zudem wurde so die verbesserte Einbindung von Mitarbeitern möglich, die als Reporter, freie Mitarbeiter etc. auch außerhalb der Redaktionsräume aktiv sind, räumliche und zeitliche Gestaltungsspielräume in der Arbeit eröffneten sich.
War die Nutzung elektronischer Datenbanken lange Spezialisten vorbehalten, so hat sich mit dem heute vorfindbaren Einbezug des Internet als Arbeitsmittel eine (ergänzende) Internetrecherche über Suchmaschinen schnell zu Standard bei der Content-Produktion einwickelt. Neben einer veränderten, wohl auch erleichterten Zugangsweise zu Informationen ist von Bedeutung, gleichzeitig Zugang zu anderen Informationen zu haben als zu denjenigen, die eigene Materialsammlungen, Agenturmaterial, verlagseigene Archive und klassische Recherche beibringen. Neue Inhalteanbieter in der Medienlandschaft geraten durch das „Googlen“ vermehrt ins Blickfeld der erwerbsmäßigen Inhalteproduzenten und erweitern deren Wissensbasis insbesondere dort, wo Spezialwissen erforderlich ist. Hier zeigen sich gleichzeitig die Möglichkeiten und Grenzen dieser neuen Akteure: Zwar können sie, so zeigen unsere Recherchen, in Special Interest-Bereichen punkten (bspw. wie der „BildBlog“ eine Zeitungskritik liefern), nicht aber im Bereich des General Interest (d.h. keine komplette Zeitung, zumindest nicht einzeln, ersetzen). Aus der nun breiter verfügbaren Informationsbasis resultieren gleichzeitig gesteigerte Selektions- und Qualitätssicherungsaufgaben für die Nutzer solchen Materials, denn oftmals fehlen Qualitätskontrollen der Inhalte, die bspw. bei Agenturmeldungen oder geprüftem Archivmaterial inklusive waren. Eine Arbeitsaufgabe, die früher (im Idealfall) sozusagen vor der Redaktionsstufe geleistet wurde, landet nun direkt auf dem Schreibtisch/Bildschirm des Journalisten/Redakteurs selbst.
4.2 Internet als Publikationsplattform – Veränderungen von Arbeit durch neue Formate, neue Produkte und neue Interaktionsformen
Neben den Veränderungen, die das Internet als Arbeitsmittel induziert, kommen mit dem Internet als Publikationsplattform neue Medienprodukte, -formate und Interaktionsformen hinzu. Hier ist zunächst ein wichtiger Befund, dass auf diesem Gebiet noch viel erprobt wird und die soziale Adaption der technischen und organisatorischen Handlungspotentiale keineswegs als abgeschlossen gelten kann. Gleiches gilt auch für die Entwicklung von Geschäftsmodellen, die der Technologie der Plattform und ihrer in der besonderen Entstehungsgeschichte fest verankerten „For Free-Mentalität“ seitens der Nutzer Rechnung tragen muss. Bei der Erstellung von Online-Produkten haben die Content-Produzenten die durch die technischen Gegebenheiten gesetzten Rezeptionsvoraussetzungen des veränderten Ausgabemediums zu beachten. Sicher lassen sich auch lange Texte am Bildschirm anzeigen, doch ob dies den Nutzererwartungen und -gewohnheiten entgegenkommt, ist fraglich. Der begrenzte Raum des Screens limitiert auch die Übertragung bewährter Layouts aus dem Printbereich und erzwingt damit neue Arbeitsroutinen. Zugleich bieten Hyperlinks die Chance einer nicht-linearen Darstellung. Diese wird nur zögerlich genutzt, so unser bisheriger Befund. Die neuen Arbeitsaufgaben, die sich aus der Notwendigkeit ableiten, den Inhalt der neuen Darbietungsform im Internet anzupassen, treten aktuell nicht in den Vordergrund. Dies hängt damit zusammen, dass Online-Journalismus gegenwärtig ganz überwiegend Nachrichtenjournalismus ist, deren Standardformat „Meldung“ sozusagen spontan bildschirmtauglich ist und deren kurze Rezeptionszeit keine großen Anforderungen an die Leidensfähigkeit der Leserschaft stellt. Solche Anforderungen werden dann arbeitsrelevanter, wenn andere Inhaltstypen andere Formen verlangen, die über „trial and error“ erst noch gesucht werden müssen.
Die Bedeutung von Rezeptionsplattform und (räumlicher wie sozialer) Rezeptionsumgebung wird auch dann noch einmal besonders akzentuiert, wenn Inhalte für mobile Nutzer wichtiger werden; ob die Inhalte hier über eine technische Lösung erfolgreich angepasst werden können oder auf die Arbeit der Inhalteproduzenten durchschlagen, ist noch nicht absehbar (vg. hierzu die Befunde des Teilprojekts MI2).
Eine weitere Besonderheit von Online-Content, besonders bezogen auf Nachrichtenjournalismus, liegt in seiner spezifischen Zeitstruktur: Während die „alten Medien“ Redaktionsschluss bzw. Druck- oder Sendeterminen unterliegen, sieht sich Online-Content permanentem oder auch gar keinem definitivem Redaktionsschluss ausgesetzt. Die Inhalte hier sind ständig abrufbereit und modifizierbar. Ein Auf und Ab im Arbeitsvolumen ergibt sich lediglich durch den im Tagesverlauf schwankenden Nachrichten generierenden Aktivitätslevel der Gesellschaft, zumindest wenn national (d.h. zeitzonenbezogen) berichtet wird. Hinzu kommt die ständige Konkurrenz zwischen Qualität und Tempo, denen sich die Beschäftigten verschärft gegenüber sehen und die durch die potentielle Möglichkeit, Inhalte ständig publizieren zu können und zu müssen, noch verschärft wird. Die Bedeutung der besonderen Online-Zeitstruktur für das Arbeitshandeln scheint zudem indirekt in den Problemen auf, die bei den Versuchen auftreten, Offline- und Online-Redaktionen zu integrieren (wie zur Zeit bei „Welt Online“)
Während alte publizistische Plattformen von Print bis TV in ihrer realisierten technischen Form nicht interaktiv angelegt waren, gibt es seit der Frühphase von Online-Medien Versuche mit egalitären, interaktiven Modellen: Jeder kann Sender und Empfänger sein, Redakteur und Leser. Dies hat sich praktisch dort bewährt, wo anspruchsvolle Teilnehmervoraussetzungen, homogene Interessenlagen und genügend starkes Zusammengehörigkeitsgefühl vorhanden sind. Andernfalls aber versinken die Foren in Flames oder trocknen inhaltlich aus bzw. ziehen sich in eine Teilöffentlichkeit zurück, die sich mit hohen Zugangsschwellen abschottet. Für die Grundkonstellation von kommerziellen Online-Medien mit bezahlten Redakteuren und unbezahlten Lesern ist der Gleichheitsansatz gänzlich unrealistisch. Jedoch zeigen unsere Untersuchungen deutlich, dass die Arbeit des Redakteurs durchaus durch Rückmeldungen, Kommentare und Anregungen der Leserschaft und durch die Diskussion der Leser untereinander angeregt und bereichert werden kann, was jedoch erfordert, dass sich das Rollenverständnis der Redakteure verändert. Auch dieser Öffnungsansatz wird von den Online-Medien, die sich der offline etablierten Praxis gegenüber noch verpflichtet fühlen, nur zögerlich genutzt. Ansätze gibt es eher bei der „kleinen Form“ des themenzentrierten Weblogs, bei denen die Macher die Interaktion mit den Nutzern/Lesern zu den Kernarbeitsaufgaben zählen. Ob sich dieses Muster als neuer Medientyp mit neuer Medienarbeit (oft ohne Erwerbscharakter) über die aktuelle Blog-Euphorie hinaus stabilisieren kann und vielleicht auf die „großen Formen“ des ausdifferenzierten journalistischen Online-Auftritts ausstrahlt, wird zu verfolgen sein
Ein weiteres Kennzeichen von Online-Content ist seine „Unabgeschlossenheit“: Während man es, auch aus Nutzerperspektive, bei den Printmedien mit redaktionell geschlossenen Angeboten zu tun hatte, entsteht durch Hyperlinks innerhalb von Online-Content eine prinzipiell offene Inhaltestruktur. Für den Autor ist es technisch leicht, einen Link zu setzen, bedeutet aber einen Bruch mit der bisherigen publizistischen Praxis, denn der Leser wird möglicherweise vom eigenen, redaktionell gestalteten Content weggeführt. Damit entgeht ihm nicht nur die nächste Werbeanzeige, sondern er verlässt die von der Redaktion vorgegebenen Pfade. Der gegenwärtig noch favorisierte Verzicht auf externe Links ist wohl der Versuch, am alten publizistischen Konzept auch unter neuen Voraussetzungen noch festzuhalten. Je stärker aber die Redakteure versuchen, die Möglichkeiten der publizistischen Plattform Internet offensiv zu nutzen, desto mehr erweitert sich gleichzeitig ihr eigenes Spektrum an Arbeitsaufgaben: Es gilt nicht nur Links zu setzen und vorher zu prüfen, sondern auch neue Formen der inhaltlichen Leserbindung zu entwickeln, die sich in Richtung qualitativer und origineller Inhalte entwickeln dürften.
Weitere neue Arbeitsaufgaben, resultierend aus den neuen Darstellungsmöglichkeiten, sind im Zusammenhang mit den inzwischen recht breitflächig vorhandenen großen Bandbreiten zu erwarten, denn ein vermehrter und teils neuer „Medienmix“ kann die Folge sein bzw. wird teilweise bereits praktiziert (vgl. die neuen Angebote von „spiegel online“). Dabei wird die noch dominierende Textlastigkeit von Inhalten, die bislang mit Stehbildern angereichert wurden, durch Audio- und Videoelemente abgeschwächt oder überwunden. Wie sich solche Möglichkeiten weiter entwickeln und nach Inhaltstypen differenzieren, ist noch nicht abzusehen. Jedoch zeigt sich, dass diese Tendenz traditionelle medienspezifische Arbeitsprofile entwertet und mit neuen Anforderungen aufwartet.
4.3 Medienakteure im Internet – Veränderungen von Arbeit durch neue Akteurskonstellationen
Arbeitsprozesse in der Medienbranche werden über das Wirken von Akteuren vermittelt, sie prägen den sozio-technischen Raum Internet und füllen die oben beschriebenen Bereiche der Medienfunktionskette aus. Unterhalb der Ebene der Akteure erschließt sich wiederum die Ebene der Arbeit und ihre Funktionsbeschreibung. Im Internet findet sich, so zeigen unsere Analysen, eine Vielzahl unterschiedlicher Medienakteure. Akteure sollen hier ökonomisch institutionell verstanden werden, etwa ein Verlag, ein Sender, ein Betreiber einer Website oder eines Blogs. Der Akteur selektiert über seine Strategie (sein Geschäftsmodell) und sein Produkt nicht nur die Funktionen aus der Medienfunktionskette, die er wahrnehmen will, sondern gestaltet diese zu Produktionsabläufen, die dann Arbeitsaufgaben definieren. Wie diese auf Arbeitsplätze, also Beschäftige, verteilt werden, unterliegt ebenfalls der betrieblichen Strategie. Zwischen der Funktionsrolle des Akteurs und der Ausprägung der Arbeit der Beschäftigten liegen also mehrere Vermittlungsschritte mit erheblichen Gestaltungsoptionen.
Für die Akteure auf der neuen Publikationsplattform haben sich wichtige Einflussgrößen für Geschäftsmodelle verändert. Durch die Produktions- und Produkttechnik sinken die Herstellungs- und Vertriebskosten erheblich; räumliche Restriktionen für die Produktverbreitung werden irrelevant. Weiter spielen medienrechtliche Aspekte, die in Deutschland für Broadcastmedien zentral sind, im Internet keine vergleichbare Rolle; ein Finanzierungsmodell über Zwangsgebühren ist nicht vorgesehen. Die beiden zentralen ökonomischen Konzepte der „alten Medien“, nämlich Produktverkauf und Werbefinanzierung (inkl. der Mischformen) sind auf das Internet nicht unmittelbar übertragbar, was für die Entwicklung von Arbeit und Beschäftigung bei internetbasierten Medien relevant ist: Sie hängt nicht zuletzt davon ab, welche Geschäftsmodelle tragfähig und breitenwirksam in einem Umfeld sind, welches bisher – von den Übertragungskosten und den Nutzungsgeräten angesehen – für die Nutzer kostenlos ist. Für die Unternehmen, die sich im Internet reproduzieren, kann diese Frage für eine Startphase suspendiert werden, wenn sich Akteure finden, die den finanziellen Atem und eine Vision über die eigene Rolle in der sich strukturierenden Medienlandschaft haben, bleibt aber zu lösen. Anders sieht dies für Akteure aus, deren wirtschaftliche Kernebereiche außerhalb des Internet liegen und ihren dortigen Auftritt aus strategischen Gründen (Service, Kundenbindung, Image) subventionieren oder auch für solche Akteure, die dauerhaft auf ein eigenes Geschäftsmodell verzichten.
Für die neu geordnete Akteurslandschaft ist jenseits der Geschäftsmodelle wichtig, dass sich mit dem Internet die Zuständigkeiten für die Funktionserfüllungen verändern und neue, zusätzliche Akteure sich an der Content-Produktion beteiligen (können): dadurch, dass die Ausstattung, die für das Produzieren und Senden von Medieninhalten notwendig ist, heute weitgehend verfügbar ist, sinkt die Eintrittsschwelle ins Mediencontent-Produktionsgeschäft – mit Folgen für die Medienfunktionskette und ihre Bündelung.
Im Rahmen unserer Analysen haben wir drei Gruppen von Akteuren identifiziert:
1. Medienakteure klassischen Zuschnitts verlieren an Gewicht:
Als ein Akteurstyp treten klassische Medienanbieter auf, die ins Internet migrieren. Sie erweitern so ihr Geschäftsfeld um internetgestützte Angebote. Auch im Internet erfüllen sie als professionelle Akteure ihr breites Funktionsspektrum innerhalb der Medienfunktionskette; sie sind auch hier dafür zuständig, Inhalte auszuwählen, zu sammeln, Recherche zu betreiben, zu strukturieren, Inhalte weiter zu bearbeiten und anzureichern sowie Qualitätssicherung zu betreiben – ein besonderes wichtiger Aspekt, weil gerade im Internet die Marke zählt, das bedeutet, dass Ansprüche von Seiten der Nutzer bezüglich der gebotenen Qualität und Inhalte aus dem Ursprungsmedium (z.B. Printmagazin) auf den Online-Content übertragen werden. Einige Angebote, die als Ergänzungen eines Printprodukts begonnen (oder überlebt) hatten, praktiezieren nun ein Geschäftsmodell. Das kostengünstige Produktion (etwa im Vergleich zur Printproduktion) und Vertrieb (dessen Kosten trägt weitgehend der Nutzer) mit Werbeeinnahmen koppelt; Gleiches lässt sich für Nur-Online-Produkte beobachten.
Bei allen erreichten Erfolgen zeigt sich allerdings, dass gerade diese Akteure relativ betrachtet in der sich neu konstituierenden Medienbranche an Bedeutung verlieren gegenüber verschiedenen neuen Akteursgruppen, die verstärkt in die Medienbranche drängen.
2. Migration neuer Akteure in die Medienbranche:
• Internetauftritt von Firmen/Behörden: So wichtig die Akteure sind, die aus den „alten“ Medien ins Internet migrieren, so darf nicht übersehen werden, dass viele Angebote im Internet von Akteuren getragen werden, die bislang nicht als Medienanbieter galten und besondere ökonomische und soziale Merkmale aufweisen. Firmen und Behörden haben schon immer Informationen erzeugt, diese aber hauptsächlich über die klassischen Medienanbieter publiziert. Dieser Weg wird zwar auch jetzt noch genutzt, aber um Direktangebote via Internetauftritt ergänzt. Dieser Auftritt umfasst häufig auch Serviceangebote zum eigenen Kerngeschäft. In einigen Fällen kommen noch „Fremdinformationen“ hinzu, wenn etwa eine Bank regionale Wirtschaftsnachrichten von einer Agentur einkauft und verbreitet und so in eine Medienrolle einrückt. Es handelt sich hier um Medienakteure mit einem internetfernen Geschäftsmodell.
• „Quereinsteiger“: Gerade Unternehmen, deren Kerngeschäft mit dem Internet zu tun hat wie Provider, Netzbetreiber oder Portale, sind in diesem Sinne auch Medien und von daher auch für Arbeit und Beschäftigung in der Medienbranche von Interesse. Auch sie bieten inzwischen Nachrichten, Einkaufmöglichkeiten und Serviceangeboten. Für Unternehmen, deren Internetauftritt attraktiv ist und viele Besucher anzieht, eröffnet sich die Chance, Medienfunktionen für andere Akteure zu übernehmen, wenn es seine eigenen Seiten für fremde Anbieter öffnet (wie dies etwa „Amazon“ tut). Hier kann man von einem Geschäftsmodell sprechen, das internet-, aber nicht medienspezifisch ist.
• Genuin neue Akteure ohne Offline-Äquivalent: Ein neuartiger Akteurstyp setzt sozusagen auf den Inhalten auf, die andere ins Netz stellen und zieht daraus seine Existenzberechtigung. Suchmaschinen zählen bspw. zu diesem neuen Akteurstyp. Sie bereiten Inhalte in spezifischer Weise auf, sortieren und strukturieren sie, generieren aber selbst keine eigenen Inhalte. Sie übernehmen damit zwar spezielle Medienfunktionen (indem sie eine Rangfolge der gefundenen Inhalte festlegen), jedoch keine inhaltliche Aufbereitung und Qualitätssicherung, wie es der Arbeit einer Redaktion entspräche. Diese Akteure eröffnen auch Inhalteanbietern, die (noch) keine große Bekanntheit haben, überhaupt erst die Chance, wahrgenommen zu werden und bereiten so einer Ausdifferenzierung der Medienlandschaft den Weg. Für Medienanbieter, die auch im Internet die klassische Form der Strukturierungsleistung erbringen, bedeuten diese neuen Akteure nicht nur eine inhaltliche Konkurrenz, die durch den Verzicht auf Redakteursarbeit kostengünstiger ist, sondern auch eine wirtschaftliche, da die Suchmaschine durch ihre hohen Besucherzahlen attraktive Werbeplattformen darstellen. Diese Akteure generieren in diesem sinne eine internetspezifische Variante einer Werbefinanzierung.
Die Gruppe der neuen Akteure, die mit besonderen Geschäftsmodellen in die Medienbranche vordringen, auch wenn ihr Ursprungsgeschäft ein anderes ist, hat eines gemeinsam: Ihre Migration begrenzt sich auf ein eingeschränktes Funktionsspektrum auf der Kette; sie treten nicht mit einem generalistischen Anspruch auf.
3. „Professionelle Amateure“ als neuer Akteurstyp:
Unsere Recherchen haben gezeigt, dass für die Medienlandschaft im Internet auf Dauer ein weiterer Akteurstyp von Bedeutung sein dürfte, den wir als „professionellen Amateur“ bezeichnen (z.B. Blogs, Wikipedia). Professionell deshalb, weil seine inhaltlichen Angebote durchaus ein entsprechendes Niveau erreichen (können), Amateur deshalb, weil solche Anbieter ihre Tätigkeit typischerweise nicht als klassische Erwerbsarbeit organisieren, also vom Ansatz her auf ein Geschäftsmodell verzichten. Anbieter dieses Zuschnitts haben das Internet sozusagen groß werden lassen und sind mit seiner Entwicklung weiter gewachsen. Sie sind also kein Pionierphänomen, das mit einer „Normalisierung“ des Internet verschwinden würde – das Gegenteil ist der Fall. Die professionellen Amateure profitieren davon, dass das notwendige Produktionsequipment aus anderen Gründen längst vorhanden ist. Die Besonderheit des Internet als Publikations- und Verteilungsplattform liegt darin, das es ungleich leichter zugänglich ist als es bei den „alten“ Medien jemals der Fall war. Noch wichtiger aber ist die inhaltliche Stärke der neuen Akteure, die in der Spezialisierung liegt. Solche Spezialisierungen können weit zugespitzter ausfallen als sie bei einem erwerbsorientierten Medium möglich wären. Dabei verzichten die „professionellen Amateure“ zumeist auf eigene Aggregationsleistungen. Diese übernehmen die oben angesprochenen Strukturierer mit Hilfe von Suchalgorithmen oder Redaktionsleistungen und werden durch das Vernetzungspotenzial des Internet erst sichtbar. Wenn, und dafür spricht derzeit vieles, sich die professionellen Amateure dauerhaft als Online-Medienakteure etablieren, werden sie die gewerblichen Mitspieler nicht verdrängen, sondern ergänzen. Sie können aber auch von ihnen profitieren in dem Sinne, dass sie ihren Bekanntheitsgrad enorm steigern können, wenn sie von den erwerbsförmig organisierten Medien öffentlich rezipiert und zur Erfüllung der eigenen Redaktionsfunktionen hinzugezogen werden. Für die Frage nach Arbeit und Beschäftigung in der Medienbranche sind die „professionellen Amateure“ mindestens unter zwei Aspekten wichtig: Zum einen erhöhen sie das Angebot an Inhalten, aus dem die „offiziellen“ Medienschaffenden schöpfen können, zum anderen bilden sie themenspezifische Konkurrenz- oder wenigstens Komplementärangebote, die den Spielraum für Bezahlinhalte und für die kostengetriebene Verwässerung der Qualität von Online-Medien einschränken.
4.4 Wohin die Reise geht - Anhaltspunkte für zukünftige Entwicklungen
Unsere bisherigen Analysen und Untersuchungen haben gezeigt, dass das Spektrum bezüglich neuer Produkte, neuer Akteure sowie zukünftiger Geschäftsmodelle für Online Content breit ist und keineswegs abschließend festgelegt. In den Gesprächen mit Beschäftigten und Experten fiel insbesondere auf, dass die Einschätzungen darüber, wohin die Reise bezogen auf das Wie, Was und Wer bei der Online-Content-Produktion gehen wird, auseinander gehen: Die Konvergenzthese, die besagt, dass verschiedene Medientypen (Bild, Ton, Text, Bewegbild) mit dem Internet weiter zusammenwachsen, erscheint unseren Gesprächspartnern nach für zukünftige Entwicklungen als eher unwahrscheinliche Option. Die Konvergenzthese stützt sich stark auf technische Faktoren und unterschätzt die unterschiedliche soziale Rahmung der verschiedenen Medienformate. Die Erwartung der befragten Experten geht eher in Richtung einer Diversifizierung von Produkten und entsprechend auch von Geschäftsmodellen. Und auch die Rolle neuer Akteure bzw. ihr Verhältnis zu den alten muss erst noch ausgelotet werden. Trotz fortgeschrittener Internetentwicklung (bezogen auf Bandbreiten und technische Standards) ist das technische und organisatorische Handlungspotenzial für den Einbezug des Internet in die Medienbranche, ihre Produkte und die hier zu leistende Arbeit keinesfalls ausgeschöpft – im Gegenteil: Offenbar stehen Anwendungsweisen sowohl aus Sicht der Medienproduzenten, aus Sicht der Werbetreibenden wie auch aus Nutzer-/Rezipientensicht gerade erst am Anfang einer Entwicklung, deren Ausprägungen aktuell zwar bereits skizzierbar sind, deren genaue Entwicklungsrichtungen vom jetzigen Betrachtungsstandpunkt aus jedoch noch als unbestimmt angesehen werden müssen.