Projektinhalt

Das Projekt untersucht, welche Haltungen zu gesellschaftlichem Zusammenhalt sich in verschiedenen sozialen Milieus und Statusgruppen finden lassen, und wie sich dies in ihren Praktiken der Lebensführung niederschlägt. Die Interviewten werden in ihren kollektiven Bezügen als Haushaltsmitglieder, Familienangehörige, Arbeitskolleg:innen oder Nachbar:innen betrachtet. So loten wir aus, in welchen sozialen Beziehungen, Netzwerken und institutionellen Kontexten zusammenhaltsstärkende oder schwächende Praktiken ausgeübt, erfahren oder beobachtet werden. Dabei werden die Arbeits- und Lebenswelt der Interviewten und ihrer Haushalte sowie sozioökonomische Faktoren und öffentlichen Güter berücksichtigt, die gesellschaftlichen Zusammenhalt ermöglichen oder gefährden.

Für das Qualitative Panel, das in enger Kooperation der FGZ-Standorte Bremen und Göttingen seit Juni 2020 durchgeführt wird, werden deutschlandweit Interviews in 90 verschiedenen Haushalten realisiert. Das Sample ist hinsichtlich des Alters, des Geschlechts, der Lebenssituation, der sozialen Herkunft sowie beruflich-sozialer Statusgruppen heterogen und versammelt Mitglieder aus allen Teilen der Gesellschaft. Während in der ersten Welle (2021) biografisch-narrative Interviews Einblicke in die jeweiligen Lebensgeschichten und Erfahrungen mit gesellschaftlichem Zusammenhalt in unterschiedlichen Lebensbereichen geben, informieren die problemzentrierten Haushaltsinterviews der zweiten Welle (2023) über unterschiedliche Konstellationen, Erfahrungen und Positionierungen innerhalb der Haushalte. In der 2. Förderphase des FGZ wird die Panelerhebung mit einer dritten (2025) und vierten Welle (2027) fortgeführt, bei denen verschiedene thematische Schwerpunkte verfolgt werden.

Der erste Schwerpunkt wird in Kooperation mit dem FGZ-Standort Hamburg bearbeitet und widmet sich der Rolle von Mediennutzung für Zusammenhaltserfahrungen und -praktiken. Dabei werden potenziell zusammenhaltsgefährende Aspekte – etwa Erfahrungen mit Desinformation, Polarisierung oder Diskriminierung in sozialen Medien – ebenso fokussiert wie potenziell zusammenhaltsfördernde Aspekte wie die Eingebundenheit in die Verständigung über öffentliche Belange. Der zweite thematische Schwerpunkt behandelt Fragen des politischen Interesses und der politischen Beteiligung als Teil der Lebensführung. Als dritter Schwerpunkt sind ethnografische Beobachtungen und Gruppengespräche, z.B. am Arbeitsplatz und anderen wichtigen Erfahrungsräumen der Befragten, geplant. Dadurch wird es möglich auszuleuchten, welche Orte und Settings als soziale Kreuzungspunkte zwischen unterschiedlichen Milieus und Statusgruppen fungieren oder Segmentationstendenzen erhöhen.

Insgesamt erlaubt die Panelerhebung den systematischen Vergleich zwischen verschiedenen Milieus, aber auch zwischen Interviewten desselben Milieus und den dort vorfindbaren Lebensführungsmustern, Orientierungen und den teils konflikthaft, teils konsensual praktizierten Vorstellungen eines gelingenden Zusammenhalts. Die Daten ermöglichen ferner die Analyse von sozialen Praktiken in ihren Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Lebensbereichen (Arbeit, Familie, Nachbarschaft etc.) und in ihren Veränderungen über die Zeit – zum einen als Erwartungen und Planungen in die Zukunft, zum anderen als Reaktionen auf und Anpassungen an gesellschaftliche Transformationsprozesse. Folglich ist es möglich, Reaktionen auf multiple gesellschaftliche Krisen mitzuverfolgen.