Projektinhalt

Das Projekt wird vom Forschungsinstitut für Arbeit, Technik und Kultur (F.A.T.K.) Tübingen in Zusammenarbeit mit dem Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen (SOFI) durchgeführt.
Wie stark die von den verschiedenen Akteuren am Finanzmarkt ausgehenden Einflüsse auf die Unternehmensführung sind, ist bisher aus sozialwissenschaftlicher Perspektive kaum untersucht. Das gilt in besonderem Maß für das Personalmanagement. Dies ist umso erstaunlicher als gerade für diesen Funktionsbereich der Unternehmensführung weitreichende Folgen vermutet werden. Diese betreffen ein insbesondere in Deutschland traditionell stark ausgeprägtes Selbstverständnis eines Vermittlers, der die Interessen der Shareholder mit denen der Stakeholder in Einklang zu bringen hat, ebenso wie seine eher mittel  bis langfristig ausgerichtete Grundorientierung, die in Widerspruch zu einer auf kurzfristige Gewinnmaximierung ausgerichteten Unternehmenspolitik geraten könnte, wie sie dem Shareholder-Value-Ansatz nachgesagt wird. Auch die verschiedenen Aufgabenfelder des Personalwesens, wie die Personaladministration, die Gestaltung der Vergütungssysteme oder die betrieblichen Sozialleistungen unterliegen einem Veränderungsdruck, der, so die Ausgangsvermutung, in nicht unerheblichem Maße dem Einfluss der Akteure an den Finanzmärkten geschuldet ist.

Zielsetzung der Untersuchung ist es zu klären,

  • wie stark der Einfluss der Akteure des Finanzmarktes auf die Unternehmensführung, speziell die Politik des Personalmanagements ist,
  • wie eine am Leitbild des Shareholder Value orientierte Unternehmens- und Personalführung von den Finanzmarktakteuren definiert und bezogen auf einzelne Unternehmen konkretisiert wird,
  • wie die Personalführung die von außen und über die Unternehmensleitung vermittelt kommenden Einflüsse aufnimmt und verarbeitet,
  • wie Personalmanager ihrerseits eine am Shareholder Value ausgerichtete Personalarbeit definieren und suchen, ihre Interpretation von „wertsteigernder“ Personalpolitik akzeptanz- und durchsetzungsfähig zu machen,
  • welche Konsequenzen sich für das Selbstverständnis und den Status des Personalwesens ergeben,
  • welche Veränderungen sich in ausgewählten Feldern der Personalarbeit (Vergütungspolitik, betriebliche Sozialpolitik, Personalentwicklung) zeigen und in welchem Zusammenhang sie zu einer am Shareholder Value orientierten Unternehmens- und Personalführung stehen, und schließlich
  • wie sich die betriebliche Interessenvertretung in Unternehmen, die sich am Shareholder Value orientieren, positioniert, welche Strategien sie entwickelt und welche Veränderungen sich speziell in den Interaktions- und Kooperationsbeziehungen zum Personalmanagement ergeben.


Den empirischen Kern der Untersuchung bilden vier Fallstudien in börsennotierten Aktiengesellschaften des Produktions- und des Dienstleistungssektors, die durch weniger aufwändige Fallstudien in vier weiteren Unternehmen ergänzt werden. Die Unternehmensauswahl berücksichtigt unterschiedliche Grade der Kapitalmarktexposition. Die Fallstudien wurden Anfang 2006 abgeschlossen. Sie umfassten in der Regel Interviews mit Vertretern des Personalressorts, des Finanzressorts (Investor Relations, Finanzvorstand, Controlling), mit operativen Führungskräften und Vertretern der Arbeitnehmer in Aufsichtsrat und Betriebsrat. Die Kapitalmarktperspektive wurde in Interviews mit Analysten und Fondsmanagern erhoben, die Kapital in den untersuchten Unternehmen angelegt haben oder für deren Bewertung zuständig sind. (Zwischen )Ergebnisse wurden im Juni 2006 auf einem projektbezogenen Workshop der Hans-Böckler-Stiftung, einer Ad-hoc Gruppe auf dem 33. Kongress der DGS in Kassel („Wider die Natur? Unternehmen zwischen sozialer Verantwortung und Aktionärskontrolle“) und einem Workshop des Projekts „Professionelle Erinnerung an der Börse“ des SFB 434 „Erinnerungskulturen“ an der Universität Gießen vorgestellt. In 2008 wurden Ergebnisse aus der Studie auf einer Fachtagung der Hans-Böckler-Stiftung und der IG BCE in Düsseldorf vorgestellt. Auf dem 2009er EGOS Kolloquium wurde ein Beitrag mit dem Titel „The Shareholder Value Concept of the Corporation and Co-Determination in Germany: Unresolved contradictions or reconciliation of institutional logics” im sub-theme „Multiple and contradictory logics in business systems: Analyzing complexity and variety across sectors, spaces and institutions” vorgestellt. Die Gesamtergebnisse wurden im Jahr 2009 in einem Forschungsbericht an die Hans-Böckler-Stiftung zusammengefasst, der im Februar 2010 fertig gestellt wurde. In 2010 erscheint eine überarbeitete Fassung als Buch.