Projektinhalt

Ziele des Verbundprojekts Climate Finance Society (ClimFiSoc). Die institutionellen Logiken der Klimafinanzierung

Europäische wie nationale Aktionspläne haben den Finanzmärkten eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung des Klimawandels zugewiesen. Auf der Grundlage umfassender Klassifizierungssysteme wie der Sustainable Finance Taxonomie sollen hohe Summen an öffentlichen und privaten nachhaltigen Investitionen aufgebracht werden. Diese finanzbasierte Strategie hat einige zentrale Annahmen zur Voraussetzung:

  • ein hohes Maß an Vertrauen in etablierte Koordinationsformen zwischen Finanzsystem, Realwirtschaft und Politik bei der Gestaltung gesellschaftlichen Wandels;
  • der Idee, dass die Festlegung von Rahmenbedingungen ausreicht, um das Finanzsystem zu steuern und zu einem Treiber der Klimapolitik zu machen;
  • der Unterstellung, dass es einen breiten Konsens über das Ziel gibt sowie darüber, dem Finanzsektor die vorgesehene entscheidende Rolle dabei zu übertragen.

Vor dem Hintergrund der Erfahrungen der letzten Jahrzehnte ist jedoch keine dieser Annahmen selbstverständlich. Zum einen waren die Institutionen, die den Finanzsektor kontrollieren und lenken sollten, regelmäßig nicht ausreichend auf die Praktiken des Sektors selbst abgestimmt. Kontrollverlust und Regulierungsversagen haben zu Krisen geführt, die eine grundlegende Skepsis gegenüber der Kontrollierbarkeit und der gesellschaftlichen Rolle von Finanzmarktakteuren begründen. Folglich ist die im Rahmen der nationalen und europäischen Aktionspläne vorgesehene Umgestaltung des Finanzsektors kein Selbstläufer. Um die enormen Herausforderungen bewältigen zu können, müssen die soziale Logiken und Mechanismen von Klimafinanzierung transparent gemacht und zu diesem Zweck zum Gegenstand sozialwissenschaftlicher Forschung und Reflexion gemacht werden. Institutionelle Zusammenhänge, Komplexitäten und Konfliktmuster, die sich aus der Einbettung der Klimafinanzierung in eine bestimmte Gesellschaftsordnung oder politische Ökonomie ergeben, sollen am deutschen Beispiel in den Mittelpunkt der Untersuchung gerückt und unter Einbeziehung des Schattenfalls Frankreich reflektiert werden. Um institutionelle Logiken im Bereich der Klimafinanzierung besser zu verstehen, beschreiben und analysieren wir die inhärente Logik – vorherrschende Perspektiven, Anreize und Restriktionen –  der betrachteten Felder und setzen sie miteinander in Beziehung. Die zentrale Frage lautet, ob, und wenn ja wie, es möglich ist, unterschiedliche Anreizsysteme sowie Rationalitäts- und Legitimitätsordnungen so zu integrieren, dass ein ausreichend rascher und dynamischer Wandel hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft gelingt.

Diese Ziele verfolgt der Verbund in vier ineinandergreifenden Teilprojekten zur Zivilgesellschaft (SOFI), zu öffentlichen Regional- und Kommunalbanken sowie Zentralbanken (Hochschule Darmstadt), zu Förderbanken (Universität Osnabrück) und zu KMU aus der verarbeitenden Industrie (Universität Paderborn). Damit nehmen wir auch Akteure und Sektoren in den Blick, die in der internationalen Debatte oft unterrepräsentiert sind, die aber für das Verständnis von Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland zentral sind.

Ziele des am SOFI angesiedelten Teilprojekts „Zivilgesellschaft und Klimafinanzierung“

Das Teilprojekt soll ermitteln, wie Maßnahmen der Klimafinanzierung gestaltet sein sollten, die ausreichend gesellschaftlichen Rückhalt haben. Welche Konflikte ergeben sich aus bestimmten zivilgesellschaftlichen Logiken, die untereinander sowie zu den institutionellen Logiken anderer Sektoren mehr oder weniger im Gegensatz stehen? Das Projekt soll die Positionen zivilgesellschaftlicher Akteure (NGOs und Bewegungen, Verbraucherverbände, Gewerkschaften) zu Maßnahmen der Klimafinanzierung ermitteln und Unterschiede und Gemeinsamkeiten untereinander sowie zu Positionen aus Politik, Verwaltung, Unternehmen und Finanzsektor herausarbeiten. Mit Hilfe des Delphi-Verfahrens sollen Spannungspotentiale identifiziert und Vorschläge zur Verbesserung der Maßnahmen erarbeitet werden mit dem Ziel, diese möglichst konsensuell und ggf. partizipativ zu gestalten. Das Teilprojekt will außerdem transferorientierte Bildungsarbeit zu Klimafinanzierung leisten. Ein methodisches Ziel ist der Einsatz und die Weiterentwicklung des Delphi-Verfahrens, insbesondere im Hinblick auf den Einsatz in Transformationsprojekten. Das Projekt soll Erkenntnisgewinn im Hinblick auf die Wirkung institutioneller Logiken zunächst im konkreten Feld (Klimafinanzierung) und den Fällen Deutschland und Frankreich bringen. Darüber hinaus soll es die Theorieentwicklung befördern, u.a. zur Anwendung auf vergleichbare Transformationsfelder.