Das SOFI im Jahr 2012
Abschied von Volker Wittke
Am 30. August 2012 ist Prof. Dr. Volker Wittke gestorben. Als Direktor und Präsident, als brillanter Forscher und debattierfreudiger, immer inspirierender Gesprächspartner, vor allem aber auch als liebenswürdiger, stets zugewandter Kollege hat er die Entwicklung im SOFI über viele Jahre und bis zuletzt maßgeblich mit geprägt. Seinen Mut und die Unerschrockenheit, mit der er seiner schweren Krankheit Lebenszeit abgerungen, und die Unbeirrbarkeit, mit der er bis zuletzt an seiner Tätigkeit als Forscher und Hochschullehrer festgehalten hat, haben wir bewundert. Dass er schließlich doch gehen musste, macht uns sehr traurig. Im und mit dem SOFI zu forschen, ist Volker eine Herzensangelegenheit gewesen. Die Impulse, die er gegeben, und die Forschungsperspektiven, die er eröffnet hat, werden in der SOFI-Forschung weiter wirken.
Über den menschlichen Verlust und den Verlust als Inspirator und wissenschaftlicher Impulsgeber hinaus bedeutet Volker Wittkes Tod auch, dass die Beziehungen zwischen Institut und Universität neu befestigt werden müssen. Zwischen Präsidium, sozialwissenschaftlicher Fakultät, Institut für Soziologie der Universität und SOFI besteht Einvernehmen darüber, eine Neubesetzung des Lehrstuhls in inhaltlicher Kontinuität und als Brücke zwischen Universität und SOFI zu betreiben. In diesem Sinne wurden mittlerweile die Neuausschreibung als Professur für Soziologie mit den Schwerpunkten Arbeit, Unternehmen und Wirtschaft sowie ein entsprechender Ausschreibungstext verabredet. Die Ausschreibung soll im Frühjahr 2013 erfolgen, die Beteiligung des SOFI am Berufungsverfahren ist vereinbart. In der Zwischenzeit übernehmen Mitglieder des SOFI wesentliche Teile der Vertretung dieses und eines weiteren vakanten Lehrstuhls.
Veränderungen am Institut
Veränderungen der internen Leitungsstrukturen. Zu neuerlichen Veränderungen der internen Leitungsstrukturen kam es im Berichtsjahr dadurch, dass Nicole Mayer-Ahuja, die zusammen mit Jürgen Kädtler und Berthold Vogel seit dem Frühjahr 2011 das Direktorium bildete, einen Ruf an die Universität Hamburg erhielt, den sie auch annahm. Ein Gegenangebot aus Göttingen schied aus, da es sich dabei um eine Hausberufung gehandelt hätte. Nicole Mayer-Ahuja ist als Leiterin des Verbundprojekts „Gute Arbeit nach dem Boom“ weiterhin am SOFI aktiv, ihre Direktorenposition hat sie aber aufgegeben. Die verbleibenden Direktoren Jürgen Kädtler und Berthold Vogel bilden zusammen mit dem kaufmännischen Leiter nunmehr die Geschäftsführung des SOFI, mit Jürgen Kädtler als geschäftsführendem Direktor. Sie werden unterstützt von den Koordinatoren der drei Forschungsschwerpunkte, deren Aufgaben gegenüber der vormaligen Sprecherfunktion erweitert wurden. Geschäftsführung und Forschungskoordinatoren bilden die regelmäßig tagende Forschungskoordination.
Die in dieser Form neu formierte Institutsleitung ist zunächst einmal bestrebt, die seit 2011 verfolgten Linien und Akzentuierungen fortzuführen und zu stabilisieren. Das betrifft insbesondere die Stärkung der kontinuierlichen Präsenz und Sichtbarkeit des Instituts als Initiator und Organisator von Debatten in den einschlägigen wissenschaftlichen Communities. Das Projekt regelmäßiger jährlicher Konferenzen unter dem Obertitel „SOFI - Work in Progress“ ist nach erfolgreichem Start im Berichtsjahr unter dem Titel „Spaltung der Arbeitswelt – Prekarität für alle? Konzepte und Befunde zu neuen Konturen der Arbeitswelt“ im Frühjahr 2013 mit einer Konferenz „Finanzmarktkapitalismus – Arbeit - Innovation“ zum zweiten Mal realisiert worden. Das weitere Ziel, diese Konferenzen auch für eine Stärkung des Publikationsprofils des SOFI zu nutzen, konnte für die erste Konferenz in der Form von drei Schwerpunktheften in Fachzeitschriften (Industrielle Beziehungen, WSI-Mitteilungen, Kritische Justiz) realisiert werden. Darüber hinaus war das Institut im Berichtsjahr jeweils mit mehreren Beiträgen auf der SASE-Konferenz in Boston sowie auf dem Soziologiekongress in Bochum und Dortmund sowie mit weiteren Einzelbeiträgen auf Internationalen Konferenzen präsent.
Die Entwicklung im Überblick
Im Jahr 2012 wurden im SOFI insgesamt 24 Projekte bearbeitet, davon wurden acht abgeschlossen und vier neu begonnen. Gegenüber den Vorjahren ist die Zahl der Projekte damit zurückgegangen, nicht aber das dahinter stehende Beschäftigungsvolumen. Vielmehr setzte sich eine bereits in den beiden Vorjahren festgestellte Entwicklung akzentuiert fort: der Rückgang ausgesprochener ‚Kurzläufer’ und eine Zunahme umfangreicherer, länger laufender Projekte. Im Berichtsjahr gab es kein Projekt, das im selben Jahr begonnen und beendet worden wäre. Diese Entwicklung ist im Sinne einer längerfristigen Ausrichtung von Akquise- und Forschungsstrategie grundsätzlich positiv zu bewerten. Schließlich bieten länger laufende Projekte deutlich günstigere Voraussetzungen für die gründliche Bearbeitung einer Fragestellung, insbesondere wenn diese auf qualitative Empirie bzw. auf komplexe Analysen selbst generierter Daten gestützt wird. Allerdings kommen hier auch Gelegenheitsaspekte der Projektakquise zum Tragen. Wo die Möglichkeit besteht, über ‚Kurzläufer’ Zugang zu Gegenständen und Fragestellungen eröffnen zu können, die für das Forschungsprogramm und seine Fortschreibung wichtig sind, oder wo solche Projekte dazu dienen können, Ergebnisse der SOFI-Forschung in soziale und politische Praxis einfließen zu lassen, werden wir uns auch in Zukunft um solche Projekte bemühen.
Die Verschiebung in der Projektestruktur kommt auch darin zum Ausdruck, dass die verminderte Zahl von Projekten mit einem deutlichen Anstieg der finanziellen Aufwendungen für die Institutsarbeit einhergeht. Der Zuwachs geht in erster Linie auf einen neuerlichen Anstieg des im Vorjahr deutlich rückläufigen Aufkommens aus Mitteln der Ressortforschung (BMBF, BMAS, NRW) zurück, darüber hinaus auf einen weiteren Zuwachs der Mittel von Forschungsförderungseinrichtungen (DFG, Hans-Böckler-Stiftung). Der erhebliche Zuwachs bei der Ressortforschung ist auch deshalb erfreulich, weil die betreffenden neuen Projekte ihren Schwerpunkt auf der längerfristigen Eröffnung von Forschungsperspektiven haben, die für die Realisierung und Fortschreibung des SOFI-Forschungsprogramms in hohem Maße relevant sind. Bei Projekten wie der Virtuellen Forschungsumgebung, die sich in den Zusammenhang der Sozioökonomischen Berichterstattung und ihrer Weiterentwicklung einfügt, wie bei einem Kooperationsprojekt im Bereich der e-Humanities geht es um die Konzipierung und Erprobung von Instrumenten für längerfristige Forschungsinfrastrukturen, die auch eine Grundlage für die Fortführung und Weiterentwicklung zentraler Forschungslinien des SOFI bieten sollen. Hinzu kommt, dass in bestimmten für das Forschungsprogramm zentralen Forschungslinien insbesondere im Bereich des Forschungsschwerpunkts Sozialmodell qualifizierte Zugänge vor allem über Evaluationsprojekte im Bereich der Ressortforschung eröffnet werden können. Vor diesem Hintergrund ist die laufende und zum Berichtszeitpunkt teilweise auch bereits realisierte Akquisestrategie de facto darauf angelegt, das Aufkommen aus Mitteln der Ressortforschung zunächst weiter zu erhöhen. Gleichzeitig wird weiterhin das Ziel verfolgt, perspektivisch den Anteil der Mittel von Forschungsförderungseinrichtungen an der Institutsfinanzierung absolut und relativ weiter zu erhöhen. Das ist nicht zuletzt auch deshalb geboten, weil der mögliche wissenschaftliche Ertrag insbesondere von Evaluations- und Begleitforschungsprojekten im Rahmen dieser Projekte oft nur sehr begrenzt gesichert werden kann. Die Auswertung der Erträge solcher Projekte unter eigenständigen, theoretisch entwickelten Fragestellungen bildet daher einen Schwerpunkt der Akquisebemühungen bei den Forschungsförderungseinrichtungen.
Der Aufwand für die Akquise neuer Projekte war auch im Berichtsjahr wieder beträchtlich. Aufwand und Vorlaufzeiten gerade größerer Projekte sowohl in der Ressortforschung wie im Bereich der Forschungsförderung sind erheblich. Eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass sich das SOFI in diesem schwieriger gewordenen Umfeld gut behaupten kann, bilden wie in den zurückliegenden Jahren das Engagement aller MitarbeiterInnen und Mitarbeiter des SOFI und insbesondere ihre Bereitschaft, unabhängig von individuellen Projektinteressen Verantwortung für die Akquisestrategie des Instituts insgesamt zu übernehmen. Die andere zentrale Voraussetzung für die Fähigkeit des Instituts, die Erarbeitung und Beantragung von Forschungsprojekten vorausschauend und im Rahmen eines längerfristigen Forschungsprogramms betreiben zu können, ist wie in der Vergangenheit die institutionelle Förderung durch das Land Niedersachsen. Diese Förderung bildet daher eine grundlegende Voraussetzung für die Fähigkeit des Instituts, auf längere Sicht eine eigenständige Forschungsstrategie zu verfolgen, die sich an wissenschaftlichen wie an gesellschaftlichen Relevanzkriterien orientiert. Darüber hinaus hat das SOFI bei der Realisierung seiner Konferenz unter dem Titel „SOFI - Work in Progress“ sowie mit einer Sonderzuwendung für die Digitalisierung des SOFI-Archivs von Förderungen durch das Land Niedersachsen profitiert.
Die Personalfluktuation war durch etwas mehr Bewegung als im Vorjahr und per saldo durch eine Tendenz zum Personalaufbau gekennzeichnet, die allerdings erst im Jahr 2013 nachdrücklich zu Buche schlägt. Eine langjährige Mitarbeiterin schied mit Erreichen des regulären Renteneintrittsalters aus, eine Direktorin - wie bereits erwähnt - durch Annahme des Rufs an eine andere Universität. Drei MitarbeiterInnen wurden im Zusammenhang mit dem Neuanlaufen von Projekten in den Forschungsschwerpunkten „Arbeit im Wandel“ und „Sozialmodell“ neu eingestellt. Zwei MitarbeiterInnen waren im Jahresverlauf für einige Monate für Beschäftigungen an der Georg-August-Universität beurlaubt. Mit vier am SOFi beschäftigten und drei externen hat sich die Zahl der am Institut betreuten PromovendInnen geringfügig verringert. Eine Promotion wurde im Berichtsjahr erfolgreich abgeschlossen. Die Fortführung einer erfolgreichen Promotionsförderung in Verbindung mit Forschungsprojekten des SOFI sowie im Rahmen der Beteiligung an Graduiertenkollegs der Universität ist weiterhin ein nachdrücklich verfolgtes Ziel des Instituts, insbesondere auch im Hinblick auf die Personalentwicklung in eigener Sache. Ein neues, projektgebundenes Promotionsprojekt wird im Februar 2013 begonnen.
Die Entwicklung in den Forschungsschwerpunkten
Die folgenden Abschnitte sollen einen Überblick über neue Akzente bzw. im Berichtsjahr in den Forschungsschwerpunkten gesetzte Schwerpunkte geben.
Arbeit im Wandel. In diesem Forschungsschwerpunkt wurden im Berichtsjahr vor allem mit dem Anlaufen zweier größerer Projekte neue Akzente gesetzt bzw. langjährige Forschungslinien in neuer Weise aufgegriffen. Das betrifft zum einen den Projektverbund „ ‚Gute Arbeit’ nach dem Boom“, der in Kooperation mit den Universitäten Hannover und Trier unter der Leitung von Nicole-Mayer Ahuja am SOFI durchgeführt wird. In diesem Projektverbund, der im Rahmen der Schwerpunktprogramms e-Humanities vom BMBF gefördert wird, geht es um die Verbindung einer inhaltlichen Forschungsfrage - eine soziologische und zeithistorische Analyse der Veränderungen von Vorstellungen von und Ansprüchen an ‚gute Arbeit‘ seit der Hochzeit des Fordismus - mit der methodischen Frage nach Möglichkeiten der IT-basierten Erschließung und Sekundäranalyse qualitativer Fallstudienmaterialien, verbunden mit der Erarbeitung entsprechender Instrumente. Für die unmittelbare Weiterentwicklung originärer Forschungsperspektiven des SOFI ist das Projekt insbesondere auch deshalb von großer Bedeutung, weil es neue, systematisch fundierte Längsschnittperspektiven auf qualitativer Grundlage eröffnen kann. Fragen längerfristigen arbeitsgesellschaftlichen Wandels werden auf diese Weise in neuer und besser fundierter Weise analysierbar.
Eine Neuakzentuierung bedeutet zum andern das nach beträchtlichem Vorlauf begonnene Projekt „Brüchige Legitimationen - neue Handlungsorientierungen“, das in Kooperation mit dem ISF München durchgeführt und von der Hans-Böckler-Stiftung gefördert wird. Im Rahmen dieses Projekts werden Arbeits- und Interessenorientierungen von Beschäftigten im Mittelpunkt stehen, mit einem besonderen Fokus auf normativen Dimensionen und Begründungsordnungen, die in diese Orientierungen eingehen. Das Projekt fragt danach, welche Ansprüche und Gerechtigkeitsnormen Beschäftigte vor dem Hintergrund von betrieblichen und gesellschaftlichen Krisenerfahrungen geltend machen und welche Handlungsorientierungen damit verbunden sind. Ins Zentrum rücken dabei - im Unterschied zur Demoskopie - handlungsrelevante Legitimations- und Gerechtigkeitsansprüche von Beschäftigten.
Beendet wurden Projekte zu den beruflichen Perspektiven von Laborbeschäftigten und zur beruflichen Weiterbildung; weitergeführt wurden Projekte zur Umsetzung neuer Entgeltrahmenankommen in der Metallindustrie (ERA), zu innovativer und alter(n)sgerechter Arbeitspolitik. Mit Blick auf die aktuellen Debatten zum letzten Punkt verdient das - mittlerweile abgeschlossene - von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Projekt „Problemlagen und Handlungsbedingungen alter(n)sgerechter Arbeitspolitik“ besondere Erwähnung, das auf der Grundlage von Betriebsfallstudien der Frage nach den Umsetzungsbedingungen einer alternsgerechten Arbeitspolitik nachging und hierbei die Bedeutung betrieblicher Akteurskonstellationen herausgearbeitet hat. Während der gesellschaftliche Demografie-Diskurs eher generalisierend argumentiert und auf die Vorbildfunktion von Good-Practice-Beispielen setzt, kommt die Untersuchung zu dem Schluss, dass die Orientierung an den konkreten betrieblichen Bedingungen und den je spezifischen Problemlagen verschiedener Tätigkeitsfelder einen größeren Stellenwert einnehmen sollte. Gründe für die geringe Verbreitung alter(n)sgerechter Arbeitsorganisationskonzepte liegen weniger in fehlendem Gestaltungswissen als vielmehr in der Tatsache, dass aufgrund von in den Betrieben vorherrschenden Akteurskonstellationen und -koalitionen häufig die Treiber für eine alter(n)sgerechte Arbeitspolitik fehlen.
Die langjährige, projekteübergreifende Forschung zur Entwicklung der industriellen Beziehungen schließlich bildete den Hintergrund für das Panel „Sozialpartnerschaft, Interessen und Teilhabeansprüche im Betrieb“ auf der ersten Konferenz „SOFI - Work in Progress“. Mit diesem Panel und einer daran anschließenden Schwerpunktausgabe der Zeitschrift Industrielle Beziehungen sollten Impulse für eine fundierte Debatte über Sozialpartnerschaft als analytisches Konzept gegeben werden.
Wandel von Produktions- und Innovationsmodellen. Für den Forschungsschwerpunkt stellte der Tod von Volker Wittke einen gravierenden Einschnitt dar. Seine Forschungsschwerpunkte gehörten und gehören zum thematischen Kern des Schwerpunkts. Dies gilt zum einen für die Forschungslinie „Globalisierung und Arbeit“. Hier wurde im Jahr 2012 das Projekt „Kompetenz und Innovation“ abgeschlossen, dessen Ergebnisse als SOFI Working Paper „Globale Qualitätsproduktion“ erschienen sind.. Das von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Projekt zur „globalen Komponentenproduktion“ befindet sich im Abschluss. Die Projektergebnisse akzentuieren die sich verändernde Rolle Chinas in globalen Wertschöpfungsketten. „The process of Chinese manufacturing upgrading” stand auch im Zentrum der aus dem Projekt entstandenen internationalen Publikationen (Global Strategy Journal), und Konferenzbeiträge (GERPISA, SASE). An diesen Aktivitäten war auch Gary Herrigel als langjähriger wissenschaftlicher Weggefährte Volker Wittkes in starkem Maße beteiligt. Zur Forschungslinie „Globalisierung und Arbeit“ gehört auch das Projekt zur Reorganisation von Arbeit im Zuge der Internationalisierung der IT-Industrie. Aus diesem abgeschlossenen Projekt ist im Jahr 2012 die Dissertation von Patrick Feuerstein erschienen. Sie wurde mit dem Dissertationspreis der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Göttingen ausgezeichnet. Patrick Feuerstein und Nicole Mayer-Ahuja präsentierten ihre Forschungsergebnisse zu globalisierten IT-Arbeit im Rahmen der SASE- (Cambridge, MA) und der International Labour Process Conference (Stockholm).
Der Aspekt der organisationsübergreifenden Kooperation im Kontext von Innovationsprozessen steht in dem Projekt „Kollaborative Innovation“ im Zentrum, das Volker Wittke für das SOFI und Martin Heidenreich (Universität Oldenburg) beim niedersächsischen MWK beantragt haben (SOFI WP 9). Es ist im Berichtsjahr bewilligt worden und wird ab 2013 unter Leitung von Jürgen Kädtler, Martin Heidenreich und Jannika Matthes durchgeführt. Im Zentrum stehen Re-Kontextualisierungsprobleme bei der innerbetrieblichen Verwendung von externem Wissen in Innovationsprozessen in Abhängigkeit von der Governanceform des Zugriffs auf diese externen Wissenskomponenten.
An der Universität Göttingen war Volker Wittke gemeinsam mit Heidemarie Hanekop an der Gründung des „Göttingen Centre for Digital Humanities“ (GCDH) beteiligt. Gemeinsam mit dem Institut für Soziologie und dem Institut für Politikwissenschaft wurde hier das Teilprojekt „Internet und Gesellschaft“ beantragt. Es startete im Frühjahr 2012. Das Projekt ist an der Universität (GCDH) angesiedelt, wird aber in enger Kooperation mit dem SOFI durchgeführt. Es beschäftigt sich mit den Veränderungen der Wissenschaftskommunikation durch das Internet und führt damit SOFI-Forschungen zu diesem Thema fort. Im Rahmen dieses Projektes wird auch eine Vortragsreihe „Internet und Gesellschaft“ mit internationale Referenten durchgeführt.
Ebenfalls fortgeführt wurde die Forschung zu neuen Beteiligungsformen von Kunden und Nutzern an der Produktion von Gütern und Dienstleistungen, die durch das Internet ermöglicht werden. Hier entstehen im „Web 2.0“ nicht nur erweiterte Möglichkeiten der Beteiligung, sondern auch ein neuer Typ von Dienstleistung - so die 2012 entwickelte These von Hanekop und Wittke. Sie basiert auf einer ersten empirischen Vorstudie über usergenerierte Serviceplattform im Web und wurde im Kontext des Arbeitskreis sozialwissenschaftliche Dienstleistungsforschung (3SR), den Volker Wittke mitgegründet hat und an dem Heidemarie Hanekop beteiligt ist, mehrfach präsentiert und diskutiert. Aus der Zusammenarbeit mit der Forschergruppe Voß/Kleeman entstand ein Buchbeitrag (Hanekop/Wittke 2012), sowie im Kontext des 3SR ein englischer Buchbeitrag, der 2013 bei Palgrave erscheint.
In der Forschungslinie, die sich mit dem Wandel des deutschen Kapitalismusmodells befasst, wurde das Projekt „Finanzmarktorientierung und die Perspektiven der Mitbestimmung“ fortgesetzt. Den Grad und die Auswirkungen der „Finanzialisierung“ und die Einordnung des deutschen Falls in die internationale Debatte thematisierten auch die Beiträge von Michael Faust auf der 2012er SASE-Konferenz, darunter ein Beitrag zu einem „Featured Panel“ zum Thema „Does the Financial Economy Dominate the Productive Economy“, bei dem William Lazonick Robert Boyer und Ronald Dore zu einem Podium zusammen geführt hatte. Ferner bildete die Vorbereitung einer SOFI-Tagung „Work in Progress“ mit dem Fokus auf Finanzmärkten, Arbeit und Innovation für das Frühjahr 2013 einen Arbeitsschwerpunkt.
In der Forschungslinie, die sich seit einiger Zeit mit ökologiebezogenen Innovationen befasst, wurde das DFG-Projekt zur regenerativen Stromerzeugung als Motor systembezogener Innovationen im deutschen Elektrizitätssektor abgeschlossen. Die Projektergebnisse lassen den Schluss zu, ass die weitere Entwicklung im Strom erzeugenden Sektor infolge der Verbreitung erneuerbarer Energien nicht auf eine neue weitgehend homogene soziotechnische Regimestruktur, sondern auf die dauerhafte Koexistenz ganz unterschiedlicher Produktionsmodelle der Stromerzeugung hinaus laufen könnte. Ergebnisse aus dem DFG-Projekt sollen auch in eine internationale Buchveröffentlichung zum Thema „Renewable Energies“ einfließen, an der Rüdiger Mautz vom SOFI als Autor beteiligt ist (Groß, Matthias; Mautz, Rüdiger: Renewable Energies. Routledge; Veröffentlichung geplant in 2014). In der Kontinuität dieser Forschungslinie wird ein Projekt über die Bedeutung von bottom-up-Initiativen in der Energiewende stehen, das vom SOFI gemeinsam mit dem Institut für Systemwissenschaften, Innovation und Nachhaltigkeitsforschung der Universität Graz (ISIS) beim Klima- und Energiefonds der Österreichischen Bundesregierung beantragt worden und im Berichtsjahr bewilligt worden ist.
Sozialwissenschaftliche Sozialberichterstattung, Bildungs- und Arbeitsmarktforschung prägen das Profil des Forschungsschwerpunkts „Sozialmodell: Arbeit - Bildung - Lebensweise im Umbruch“.
Die Autorengruppe Bildungsberichterstattung, der das SOFI angehört, veröffentlichte 2012 den vierten gemeinsamen Bildungsbericht von Bund und Ländern. Für den fünften Bericht, der 2014 erscheinen wird, führt das SOFI die Bereiche der Berufsausbildung und der Weiterbildung fort und beteiligt sich an der Ausarbeitung des neuen Schwerpunkthemas Inklusion. 2012 erschien in redaktioneller Verantwortung des SOFI der zweite Bericht zur sozioökonomischen Entwicklung in Deutschland. Auch für den dritten Bericht, der voraussichtlich von 2013 bis 2016 erarbeitet werden wird, soll die Koordination beim SOFI liegen; das SOFI wird u.a. Arbeitspakete zu Corporate Governance und unternehmensbezogener Finanzialisierung, zu Übergängen zwischen Schule und Arbeitsmarkt sowie zu Teilhabe und Grundsicherung bearbeiten. Parallel zur Antragstellung für die Fortsetzung der sozioökonomischen Berichterstattung und zur Entwicklung eines Verstetigungskonzepts entwickelt das SOFI mit Einrichtungen der Forschungsdateninfrastruktur seit 2012 eine virtuelle Forschungsumgebung für die gemeinsame Nutzung von Mikrodatensätzen. Beide großen Vorhaben der Sozialberichterstattung, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) (ko-)finanziert werden, bilden auch weiterhin einen gemeinsamen Bezugspunkt für viele empirische Projekte des Instituts und ermöglichen deren Verstetigung.
Neben der Bildungsberichterstattung sichern die SOFI-Längsschnittstudie „Wie und warum Benachteiligtenförderung gelingt“ und drei Dissertationsvorhaben die Kontinuität in der Forschung zu prekären Bildungsverläufen im Schulsystem und im beruflichen Übergangssystem. Dabei nutzt das SOFI vorausgegangene Evaluationsvorhaben für den Aufbau eines eigenen Paneldatensatzes von Hauptschüler/inne/n und greift auf neue Längsschnittdatensätze wie die Integrierten Erwerbsbiographien (IEB) des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und das Nationale Bildungspanel (NEPS) zu. Im Rahmen der BMBF-Forschungsinitiative ASCOT beteiligt sich das SOFI daran, die Entwicklung beruflicher Kompetenzen valide zu erheben und Verfahren hierzu soziologisch zu fundieren. Neu erschließt sich das SOFI das Thema der Weiterbildung von Migrantinnen und Migranten, u.a. durch Organisation einer internationalen Tagung in 2013.
Mit zwei Evaluationsprojekten im Auftrag des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zur Beratungskonzeption der Bundesagentur für Arbeit knüpft das SOFI an vorausgegangenen Studien zu Leistungsprozessen in der Arbeitsverwaltung an und entwickelt seine qualitative Methodenkompetenz bei der fallrekonstruktiven Untersuchung sozialer Dienstleistungsarbeit weiter. Ein weiteres Evaluationsprojekt zu Dienstleistungen der Arbeitsagenturen und Jobcenter für Arbeitgeber erweitert die Expertise, die das Institut zur Neuausrichtung der deutschen Arbeitsmarktpolitik aufbauen konnte. Nach Abschluss einer Reihe von Evaluationsprojekten kann der empirische und konzeptionelle Ertrag dieser Forschungslinie im Jahr 2013 durch wissenschaftliche Veröffentlichungen gesichert und dokumentiert werden.
Übertragen die Arbeitsplatzbeobachtungen in der sozialen Dienstleistungsarbeit den Fallstudienansatz auf die Einzelfallarbeit, so wird eine weitere groß angelegte Untersuchung zur Implementation der Leistungen zu Bildung und Teilhabe in den sozialen Mindestsicherungssystemen, die das SOFI im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) in den Jahren 2013 bis 2016 koordiniert, Fallstudien zur Organisation und Inanspruchnahme von Leistungen der sozialen Mindestsicherung auf kommunaler Ebene erstellen.
Politiknahe Programmevaluationen und Projekte und Berichtsansätze aus dem Bereich der Forschungsförderung richten sich im Forschungsschwerpunkt über kurzfristige Projektlogiken hinaus an gemeinsamen Leitkonzepten aus: Zu den integrierenden Fragestellungen der Forschung gehören die wohlfahrtstheoretische Fundierung des SOFI-Teilhabekonzepts und der kritische Blick auf sozialstaatliche Institutionen und betriebliche Strategien bei der Erklärung ungleicher Bildungs- und Erwerbschancen. Der weiteren Schärfung dieser Leitkonzepte dient u.a. ein englischsprachiges Dissertationsvorhaben, das den Ansatz der Verwirklichungschancen auf den Flexicurity-Diskurs in der Europäischen Union anwendet.