Das SOFI im Jahr 2013
Forschungsprofil ‑ Kontinuität mit neuen Akzenten
Das SOFI hat sich im Jahr 2013 insgesamt positiv entwickelt. Die positive finanzielle Entwicklung ging zum einen mit einer vorsichtigen Ausweitung des wissenschaftlichen Personals einher. Zugleich konnten in den zurückliegenden Jahren neu aufgebaute Forschungsfelder gefestigt sowie in langjährigen Forschungslinien neue Akzente gesetzt werden.
Unter dem ersten Aspekt ist besonders die Sozioökonomische Berichterstattung hervorzuheben. Die Bewilligung einer drittes Verbundprojekts durch das BMBF, verbunden mit dem ausdrücklichen Auftrag, ein Verstetigungskonzept zu entwickeln, kann als Anerkennung der vom SOFI initiierten und koordinierten Bemühungen um diese neue Form sozialwissenschaftlich fundierter Berichterstattung angesehen werden. Als Bestätigung und zugleich als Möglichkeit zur Befestigung einer in den letzten Jahren erarbeiteten Position darf auch die Einwerbung und Umsetzung neuer Projekte zur Evaluation von Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik gelten. Im Rahmen qualitativer Fallstudien stehen die Implementation von Arbeitsmarktpolitik als besondere Dienstleitungsarbeit wie die damit verbundenen Teilhabewirkungen für die Betroffenen im Fokus. In diesem Projekteverbund entsteht kumulativ eine nach Breite und Dichte neuartige empirische Grundlage für die Analyse und Bewertung von Arbeitsmarktprozessen und Arbeitsmarktpolitik.
Für neue Akzente bei traditionellen Forschungslinien stehen insbesondere drei Ende des Vorjahrs bzw. im Berichtsjahr begonnenen Verbundprojekte zu Gerechtigkeitsansprüchen und Interessenorientierungen in Arbeit und Betrieb, zur „’Gute(n) Arbeit’ nach dem Boom“ sowie zu Kollaborativer Innovation. Mit dem ersteren rückt die in der arbeitssoziologischen Forschung seit längerem wenig bearbeitete Frage ins Zentrum, welche Bedeutung Legitimitätsvorstellungen und Gerechtigkeitsansprüchen von ArbeitnehmerInnen für ihr Interesse an Arbeit und Betrieb haben, und wie sie ihr Arbeits- und Interessehandeln beeinflussen. Diese Frage nach den „subjektiven“ Bedingungen individuellen und kollektiven Handelns wird umso wichtiger, je weniger die Zuschreibung „objektiver“ Interessen als Grundlage für das Handeln von ArbeitnehmerInnen greift. Das im Berichtsjahr angelaufenes Projekt zu „Kollaborativen Innovationen“ nimmt das betriebliche Realitätsprinzip von Wissensgesellschaft in den Blick. Wie werden Betriebe mit dem Problem fertig, dass extern erzeugtes Wissen zwar einerseits immer wichtiger wird, dass anderseits der soziale Entstehungskontexts dieses Wissens für seine Nutzbarkeit zwar wichtig ist, aber nicht einfach mitgekauft werden kann? Die Analyse organisatorischer und sozialer Voraussetzungen für die mehr oder weniger gute Bewältigung dieses Problems verspricht wichtige Beiträge im Bereich der Innovationsforschung. Mit dem Ende 2012 begonnenen Verbundprojekt „’Gute Arbeit’ nach dem Boom“ wird eine Schärfung der historischen Perspektive der arbeitssoziologischen Forschung anvisiert. Die systematische Erschließung von Materialien und Befunden, die im Rahmen qualitativer arbeitssoziologischer Fallstudien seit den 1960er Jahren erhobenen wurden, im Lichte aktuell verfolgter Fragestellungen soll nicht zuletzt eine bessere Fundierung von Analysen sozioökonomischen Wandels ermöglichen.
Die Realisierung dieser neuen Perspektiven hängt von der Bewältigung einer Reihe schwieriger methodologischer Probleme ab, für die neue Lösungen in der Form IuK-basierter Erschließungs- und Analyseinstrumente erst entwickelt werden müssen. Insofern ordnen sich diese Forschungen auch in den weiten Zusammenhang der Entwicklung computergestützter Verfahren und Ressourcen für die geistes- und kulturwissenschaftliche Forschung unter den Stichworten „E-Humanities“ bzw. „Digital Humanities“ ein. In Verbindung mit dem mit der Sozioökonomischen Berichterstattung verbundenen Projekt einer Virtuellen Forschungsumgebung ist insbesondere auch die Entwicklung von Konzepten kollaborativer Datenauswertung in Forschungsverbünden ein projekteübergreifend verstärkt bearbeitetes Thema.
Die Entwicklung im Überblick
Im Berichtsjahr 2013 wurden im SOFI insgesamt 29 Projekte bearbeitet. Davon wurden sechs in diesem Jahr zum Abschluss gebracht und dreizehn neu begonnen. Anders als im Vorjahr befinden sich darunter vier Projekte, die im selben Jahr begonnen und abgeschlossen wurden. Diese ‚Kurzläufer’ signalisieren hier allerdings nicht eine Tendenz zur Zerfaserung von Akquisemöglichkeiten und –aufwendungen, wie sie in der Vergangenheit zeitweilig zu beklagen war. Sie stehen vielmehr für Gelegenheiten, Ergebnisse der SOFI-Forschung in die politische und gesellschaftliche Praxis einfließen zu lassen bzw. umfänglichere Akquiseperspektiven durch entsprechende Expertisen vorzubereiten. Als überwiegende Tendenz kann für das Berichtsjahr ein Trend zu eher längerfristigen Projekten auch bei den ‚Neuanläufen’ konstatiert werden. Diese Entwicklung ist positiv zu bewerten, weil solche Projekte eher die Voraussetzungen dafür bieten, komplexere Fragestellungen mit Blick auf das eigene Forschungsprogramm systematisch und mit längerem Atem zu verfolgen. Zudem ermöglichen sie die inhaltliche Konzentration, wenn auch nicht unbedingt die Verminderung von Akquiseaufwänden.
Die gestiegene Zahl und Fristenstruktur der bearbeiteten Projekte schlägt sich in einer nochmals deutlichen Zunahme der finanziellen Forschungsaufwendungen des SOFI nieder. Dabei geht der Zuwachs im Berichtsjahr in erster Linie auf die in dieser Weise auch geplante Zunahme des Anteils von Mitteln der Ressortforschung (BMBF, BMAS) zurück. Die betreffenden Projekte im Bereich der E-Humanities, der arbeitsmarktbezogenen Evaluations-, der Bildungsforschung sowie der Sozioökonomischen Berichterstattung sind sowohl für die zentralen Linien wie für die integrative Perspektive des Forschungsprogramms von großer Bedeutung, nicht zuletzt, weil sie empirische Zugänge und Verknüpfungen ermöglichen, die auf anderem Wege kaum zu erschließen wären. Sie entsprechen zudem dem vom Institut verfolgten Anspruch, mit wissenschaftlicher Forschung in politische Praxisfelder hinein zu wirken. Ungeachtet dieser geplanten Verstärkung der Ressortforschungsanteile halten wir an dem Ziel einer absoluten und relativen Stärkung des Anteils von Mitteln der Forschungsförderungsinstitutionen (DFG, VW-Stiftung, Hans-Böckler-Stiftung etc.) fest. Einen Beitrag dazu sehen wir auch in der Förderung eines umfangreichen Verbundprojekts mit der Universität Oldenburg mit Forschungsförderungsmitteln („VW-Vorab“) des niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur, weil Erarbeitung und Begutachtung dieses Projekts nach den betreffenden Modalitäten erfolgten. Ein weiterer Beitrag in dieser Richtung besteht in der erfolgreichen Beteiligung an einer Ausschreibung deutsch-französischer Verbundprojekte im Bereich der Sozialwissenschaften durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und die Agence National de la Recherche (ANR). Das zusammen mit dem Prof. Dr. Bénédicte Zimmermann vom Centre Georg Simmel der Ecole des Hautes Etudes de la Recherche Sociale (EHESS) entwickelte und beantragte Projekt wurde zum Ende des Berichtsjahrs bewilligt und nimmt im Frühjahr 2014 seine Arbeit auf.
Der Aufwand für die Akquise neuer Projekte war auch im Berichtsjahr wieder beträchtlich. Dazu trägt wie schon in den Vorjahren bei, dass infolge veränderter Finanzierungsmodalitäten im Forschungsbereich die Zahl der Bewerber um Drittmittel seit einer Reihe von Jahren deutlich zunimmt. In diesem Sinne hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft in einer Stellungnahme beklagt, dass wachsende Anteile der vormaligen Grundfinanzierung von Universitäten in den Bereich der Forschungsförderung verlagert werden, mit der Konsequenz, dass auch durchaus förderungswürdige Projekte abgelehnt werden müssten1. Eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass sich das SOFI in diesem schwieriger gewordenen Umfeld gut behaupten kann, bilden wie in den zurückliegenden Jahren das Engagement aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des SOFI und insbesondere ihre Bereitschaft, Verantwortung für die Akquisestrategie des Instituts insgesamt zu übernehmen. Die andere zentrale Voraussetzung für die Fähigkeit des Instituts, die Erarbeitung und Beantragung von Forschungsprojekten vorausschauend und im Rahmen eines längerfristigen Forschungsprogramms betreiben zu können, ist die Förderung durch das Land Niedersachsen. Das betrifft in erster Linie die institutionelle Förderung als grundlegende Voraussetzung für Verfolgung einer eigenständigen Forschungsstrategie, die sich dauerhaft an wissenschaftlichen wie an gesellschaftlichen Relevanzkriterien orientiert. Darüber hinaus hat das SOFI bei der Realisierung seiner Konferenzen unter dem Titel „SOFI –Work in Progress“ sowie neuerdings im Bereich der Promotionsförderung von speziellen Fördermöglichkeiten durch das Land Niedersachsen profitiert. Die Förderung einer (anschließenden) Abschlussphase von Promotionen, die im Rahmen von Forschungsprojekten erarbeitet werden, stellt ein Förderinstrument dar, dessen Nutzen mit Blick auf die Projektbearbeitungs- und Promotionsbedingungen in Instituten wie dem SOFI kaum hoch genug veranschlagt werden kann.
Die Entwicklung der Beschäftigung im Berichtsjahr ist per saldo durch Personalaufbau gekennzeichnet. Dem Ausscheiden einer langjährige Mitarbeiterin mit Erreichen der regulären Altersgrenze stand eine Neueinstellung gegenüber. Hinzu kommen zwei Neueinstellungen, die bereits in der zweiten Hälfte des Vorjahrs erfolgten, und die im Berichtsjahr nunmehr voll zu Buche schlagen sowie zwei Neueinstellungen im Berichtsjahr selbst. Die Neueinstellungen im wissenschaftlichen Bereich betreffen jeweils zur Hälfte promovierte MitarbeiterInnen und PromovendInnen. Mit sechs am SOFI beschäftigten und zwei externen hat sich die Zahl der am SOFI betreuten PromovendInnen gegenüber dem Vorjahr zum Jahresende hin erhöht. Von den internen Promotionen wurde eine im Berichtsjahr erfolgreich abgeschlossen. Mit der Neueinstellung eines Promovenden im Frühjahr 2014 bleibt der Umfang der Promotionsbetreuung durch das Institut absehbar konstant.
Das Institut und seine MitarbeiterInnen sind über die Betreuung von Promotionen im SOFI hinaus in mehrerlei Hinsicht in der wissenschaftlichen Nachwuchsförderung engagiert. Das betrifft zum einen das regelmäßige Abhalten von Lehrveranstaltungen an der Georg-August-Universität sowie die Betreuung von Diplom-, Bachelor- und Masterarbeiten. Im Berichtsjahr wurden vom SOFI Seminarveranstaltungen im Umfang von 3 Semesterwochenstunden im Wintersemester 2012/13 sowie von 5 Semesterwochenstunden im Wintersemester 2013/14 angeboten sowie jeweils zwei Vorlesungen der Einführungsvorlesung in die Soziologie bestritten. Darüberhinaus vertraten Janina Söhn im Sommersemester 2013 und Michael Faust im Sommer- und im Wintersemester im Umfang jeweils einer halben Stelle die vakanten Lehrstühle für Migrationssoziologie und für Arbeit und Wissen. Zum anderen erfolgt die Betreuung von Promotionen an externen Institutionen, im Berichtsjahr zweier in diesem Jahr abgeschlossenen Promotion an den Universitäten Oldenburg und Aix en Provence sowie von zwei abgeschlossenen und vier laufenden Promotionen an der Universität Kassel und einer laufenden Promotion an der Universität Jena Besondere Erwähnung verdient darüberhinaus das Graduiertenkolleg „Qualifikatorisches Upgrading in KMU“, das im Vorjahr im Verbund mit der Georg-August-Universität erfolgreich bei der Hans-Böckler-Stiftung beantragt worden ist und als dessen stellvertretender Sprecher Jürgen Kädtler fungiert. Drei Zweitbetreuungen von Dissertationen sowie wesentliche Teile des Kollegprogramms werden aus dem SOFI bestritten. Schließlich werden von Jürgen Kädtler und Peter Birke als Vertrauensdozenten der Hans-Böckler-Stiftung insgesamt 26 Stipendiaten betreut. Ungeachtet einer notwendig hohen Drittmittelorientierung haben die MitarbeiterInnen des Instituts damit auch im Berichtsjahr beträchtliches Engagement in der akademischen Lehre und in der Nachwuchsförderung außerhalb des Instituts erbracht.
Die Entwicklung in der Forschungsschwerpunkten
Arbeit im Wandel
Im Schwerpunkt Arbeit im Wandel wurde im Jahr 2013 ein weiteres größeres Projekt zur Frage des Umgangs von Betrieben mit den Herausforderungen des demografischen Wandels zum Abschluss gebracht. Während in einem 2011 beendeten Vorläuferprojekt der Zusammenhang von Tarif‑ und (alter[n]sgerechter) Betriebspolitik im Fokus stand, beschäftigte sich das 2013 abgeschlossene Projekt „Problemlagen und Durchsetzungsbedingungen alter(n)sgerechter Arbeitspolitik“ mit den betrieblichen Handlungsbedingungen einer alter(n)sgerechten Arbeitspolitik und konnte u.a. die besondere Rolle betrieblicher Akteurskonstellationen herausarbeiten. Das Projekt kommt zu dem Ergebnis, dass insbesondere die Betriebe des industriellen Sektors vor der Herausforderung alternder Belegschaften stehen und das Thema ‚demografischer Wandel‘ im personalpolitischen Diskurs durchaus Konjunktur hat. Im Bereich der Arbeitsgestaltung, in dem vielfach erhebliche Defizite konstatiert werden, ist es bislang aber noch sehr wenig und nur in Ausnahmefällen angekommen. Die Liste der Defizite ist lang und reicht von ergonomischen Mängeln und einem zunehmenden Zeit‑ und Leistungsdruck, über unzureichende Handlungs‑, Mitgestaltungs‑ und Mitsprachemöglichkeiten bis hin zu wenig lernförderlichen Arbeitsbedingungen und stark eingeschränkten beruflichen Weiterbildungs‑ und Entwicklungsmöglichkeiten. Auch wenn die konkreten Ausprägungen der Arbeitsbedingungen sich je nach Tätigkeit und betrieblichen Umständen erheblich unterscheiden können, ist vor diesem Hintergrund ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben für viele Beschäftigte eine von ihnen gewünschte Option. Bestätigt wurden diese in Fallstudien gewonnenen Einschätzungen durch in 2013 am SOFI durchgeführte Auswertungen einer aktuellen Beschäftigtenbefragung der IG Metall mit einem Rücklauf von über 500 tsd. Fragebögen.
In anderen größeren Projekten wie den Projektverbünden „‘Gute Arbeit‘ nach dem Boom“, „Brüchige Legitimationen ‑ neue Handlungsorientierungen?“ und „Agilitätsrelevante Ausprägungen innovativer Arbeitspolitik“ wurden erste Ergebnisse vorgelegt. Auch wenn diese Projekte jeweils sehr unterschiedliche Fragestellungen verfolgen und sich auch in methodischer Hinsicht stark unterscheiden, gibt es in allen drei Projekten jedoch Hinweise auf die große Bedeutung arbeitspolitischer Konzepte. Die im SOFI derzeit in verschiedenen Branchen und Tätigkeitsfeldern durchgeführten Studien ähneln sich außerdem in ihrem Befund, dass in so unterschiedlichen Feldern wie Innovationstätigkeiten oder Produktionsbereichen der Wandel der Arbeit einerseits in starkem Maße durch bereichs‑ und tätigkeitsspezifische Organisationskonzepte mit erheblich unterschiedlichen Arbeitswirkungen geprägt ist, dass sich gerade entlang der Frage der Gestaltungs‑ und Mitsprachemöglichkeiten andererseits jedoch auch übergreifende Themen herausbilden, die aus Sicht der Beschäftigten eine wichtige Rolle spielen und in konkreten Formen der betrieblichen Arbeitsgestaltung in unterschiedlichem Maße realisiert sind.
Jenseits der jeweils spezifischen Projektergebnisse (vgl. die nachfolgenden Einzeldarstellungen der Projekte) haben sich in den laufenden Projekten zwei Frageperspektiven herausgebildet, die die projektübergreifenden Diskussionen prägen. Angesichts der erheblichen Spannbreite arbeitspolitischer Gestaltungskonzepte geht es erstens um den Stellenwert der Themen Arbeitsorganisation und Arbeitsgestaltung sowie die Fragen, inwieweit sich ‚gute‘ und ‚schlechte betriebliche Praktiken unterscheiden lassen und was sich über deren Arbeitswirkungen sagen lässt. Im Projekt „Aushandlung interorganisationaler F+E-Projekte ‑ formale und informale Strukturierung“ finden sich Antworten auf diese Fragen für den Bereich der Innovationsarbeit, in den AGTIL-Projekten stehen unterschiedliche Felder von Produktionsarbeit und produktionsnahen Angestelltentätigkeiten im Mittelpunkt.
Eine zweite projektübergreifende Diskussionslinie, die in der laufenden Forschung einen zunehmenden Stellenwert einnimmt, fragt danach, wie sich Beschäftigte ihre Arbeit aneignen, welche Ungerechtigkeitserfahrungen sie machen, an welchen normativen Ansprüchen sie sie messen und ggf. kritisieren und wie sie mit veränderten Anforderungen und ihrer betrieblichen Situation umgehen. Nachdem in verschiedenen Projekten der letzten Jahre ein Schwerpunkt auf Innovationstätigkeiten lag, die aus diesem Grund auch Gegenstand eines eigenen Panels der Work-in-Progress-Tagung 2013 waren, spielen hierbei in aktuellen Projekten („Brüchige Legitimationen“, „Arbeitsbewusstsein und beschäftigtengetragene Optimierungsprozesse“) zum Teil Produktionstätigkeiten sowie andere Angestelltentätigkeiten wieder eine größere Rolle. Die SOFI-Projekte des Verbundes „‘Gute Arbeit‘ nach dem Boom“ bieten zudem die Chance eines sekundäranalytischen, vergleichenden Rückblicks auf die Bedeutung von Arbeit und den Stellenwert und die Erfahrungen mit Gestaltungs‑ und Mitsprachemöglichkeiten.
Die Bedeutung neuer Organisationskonzepte von Arbeit unter dem Blickwinkel der Anforderungen an die Beschäftigten sowie der Gestaltungsmöglichkeiten und der Gestaltungsnotwendigkeiten ist außerdem Gegenstand des gerade neu angelaufenen Projektes „IWEPRO ‑ Intelligente selbstorganisierende Werkstattproduktion“, das sich mit dem gegenwärtig in Wirtschaft und Politik intensiv diskutierten und propagierten Thema ‚Industrie 4.0‘ beschäftigt und die mit der weiteren Digitalisierung und Informatisierung von Fabriken und Wertschöpfungsprozessen einhergehenden Anforderungen erforscht. In dem Projekt mit verschiedenen Industriepartnern und dem Fraunhofer IPK ist es die Aufgabe des SOFI, die Einführung des Konzepts in der Getriebefertigung eines Automobilherstellers zu begleiten und Impulse zur Arbeitsorganisation und Arbeitsgestaltung im Sinne einer Mitarbeiterbeteiligung zu geben. Die Frage ist, wie neue, „intelligente“ Produktionssysteme sozialverträglich in die betriebliche Sozialstruktur eingepasst werden können, wie bestehende Kompetenzen der Beschäftigten genutzt werden können und welche Trainings‑ und Schulungsmaßnahmen benutzerangemessen eingeführt und umgesetzt werden können.
Wandel von Produktions‑ und Innovationsmodellen
In der Forschungslinie der sozialwissenschaftlichen Innovationsforschung ist im Jahr 2013 das Projekt COLLIN angelaufen. Es untersucht die innerbetriebliche Nutzung externer Wissensbestände in kollaborativen Innovationsprozessen. Das Projekt wird durch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) aus Vorab-Mitteln der Volkswagen-Stiftung gefördert und erfolgt in einer Kooperation des SOFI mit Martin Heidenreich (Universität Oldenburg). Unternehmen öffnen sich in ihren Innovationsprozessen mehr und mehr nach außen und nutzen die Kompetenzen und Ressourcen externer Wissensproduzenten. Sie entsprechen damit immer weniger der traditionellen Vorstellung vornehmlich unternehmensintern organisierter Innovationsprozesse. Im Zentrum des Projekts stehen unterschiedliche Formen der Integration und Nutzbarmachung externen Wissen durch Unternehmen, die Gründe, aus denen bestimmte Formen gewählt werden, die Probleme, die damit jeweils verbunden sind, sowie Strategien von Unternehmen, mit diesen Problemen umzugehen. Während die Oldenburger Projektgruppe diesem Wandel im Bereich der erneuerbaren Energien und des Windanlagenbaus nachgeht, untersucht das Göttinger Teilprojekt im Rahmen von Unternehmensfallstudien kollaborative Innovationsprojekte im Bereich IT/Software. Das Projekt hat sich erfolgreich für die Ausrichtung einer Mini-Konferenz im Rahmen der SASE-Jahrestagung im Juli 2014 in Chicago beworben. Die Mini-Konferenz mit dem Titel „The Institutional Foundations of Distributed and Open Innovation" stellt konzeptionelle Überlegungen und erste Ergebnisse aus dem Projekt in diesem internationalen Format zur Diskussion.
Ein seit längeren verfolgter Aspekt, der auch im Rahmen des Projekts über kollaborative Innovationen in der Softwarebranche am Beispiel der Open Source Softwareentwicklung untersucht wird, ist die zunehmende Beteiligung von Kunden und Nutzern als Produzenten an der Herstellung von Produkten und Dienstleistungen. Dies ist auch ein immer wichtigeres Thema für die Entwicklung von Dienstleistungen im Internet. Eine Reihe von Publikationen sind aus dem SOFI hierzu bereits vorgelegt worden. Die Frage, ob diese Formen der Beteiligung von Kunden und Nutzern an der Produktion als Prototypen für die Herausbildung eines neuem Produktionsmodus verstanden werden können, diskutierte Heidemarie Hanekop in einem Beitrag auf der gemeinsamen Herbsttagung der Sektionen Arbeits‑ und Techniksoziologie im November in Stuttgart. Im Rahmen des Göttinger Center für Digital Humanities, einer zentralen Universitätseinrichtung, an der Volker Wittke beteiligt war, wurde die Forschung zum Wandel der Wissenschaftskommunikation fortgeführt. Marco Schmitt (GCDH), der im Forschungsgebiet „Internet und Gesellschaft“ über die Veränderung von Wissenschaftskommunikation durch das Internet forscht, hat gemeinsam mit Heidemarie Hanekop (SOFI) ein DAAD-Austauschprojekt mit einem Forschungsteam an der Queensland University of Technology unter Leitung von Prof. Axel Bruns begonnen.
In der Forschungslinie, die sich mit dem Wandel des deutschen Kapitalismusmodells befasst, wurde das Projekt „Finanzmarktorientierung und die Perspektiven der Mitbestimmung“ fortgesetzt. Einen wichtigen Bestandteil der Arbeit stellte die Organisation und Durchführung der SOFI Tagung „Work in Progress“ im März 2013 in Göttingen dar, die den Titel „Finanzmarktkapitalismus – Arbeit – Innovation“ trug. Die Tagung diente zum einen dazu, die im SOFI selbst beheimateten unterschiedlichen Perspektiven auf Arbeit und Innovation in der Vorbereitung in einen organisierten Dialog zu bringen, d.h. Forschung zum Zusammenhang von betrieblicher Mitbestimmung und Innovationsarbeit einerseits und verschiedenen Forschungen zur Finanzialisierung von Unternehmen und den Wechselwirkungen zur Unternehmensmitbestimmung und Personalpolitik. Zum anderen brachte die Tagung selbst unsere Forschung auf diesem Gebiet in den Dialog mit führenden Fachvertretern, die sich alle mit unterschiedlichen Zugriffen mit der Frage beschäftigen, wie sich die Finanzialisierung von Unternehmen auf wirtschaftliches Wachstum, Innovationstätigkeit und die Entwicklung von Arbeit und Beschäftigung auswirken. Prominenter Gastredner aus den USA war William Lazonick (University of Massachusetts Lowell), ein intimer Kenner der dortigen Shareholder-Value-Bewegung, der seit längerem über den Zusammenhang von Corporate Governance und Innovation forscht. Dass die von ihm entwickelte Theorie des innovativen Unternehmens sich sehr gut eignet für eine Analyse, wie die Innovativität von Unternehmen durch Veränderungen der Corporate Governance in Richtung „Shareholder Value“ untergraben werden (können), demonstrierte er in seinem Vortrag. An die 90 diskussionsfreudige Teilnehmer/‑innen aus Wissenschaft und Praxis forderten die Referenten im Verlauf der Tagung mit ihren Fragen und Kommentaren immer wieder heraus und machten sie zu einem Erlebnis. Nicht nur für Belebung, sondern auch für manch aufschlussreiche Ergänzung sorgte die Abschlussdiskussion mit einem Podium von „Praktikern“, die in unterschiedlichen Rollen Finanzialisierung betreiben, erleben, erleiden, abwehren oder gestalten. Eine Buchveröffentlichung mit den überarbeiteten Beiträgen und weiteren einleitenden, kommentierenden und resümierenden Texten ist in Arbeit und wird in 2014 im Campus Verlag erscheinen.
Mit William Lazonick hat sich im Jahr 2013 eine längerfristige Zusammenarbeit ergeben. Er leitet ein international vergleichendes Forschungsprojekt zu der Frage, wie Finanzinstitutionen gestaltet werden müssen, um nachhaltiges, beschäftigungsförderliches und „gerechtes“ Wachstum zu gewährleisten und die Innovationsfähigkeit von Wirtschaft und Unternehmen zu fördern. Das Projekt „Financial Institutions for Innovation and Development“ wird von der Ford Foundation (New York) finanziert und vergleicht die Erfahrungen von einerseits entwickelten kapitalistischen Ländern wie den USA, Japan, Deutschland und andererseits von „newly developing countries“ wie China, Brasilien und Indien (siehe unter: fiid.org/). Hierzu bringt es internationale Forscher auf Fachkonferenzen zusammen, die bislang in den USA, Brasilien und China stattfanden. An der Konferenz in Beijing im Oktober 2013 an der Chinese Academy of Sciences hat Michael Faust für das SOFI mit einem Beitrag zum Thema „The Financial Economy and the Productive Economy: Is Financial Reform on the right track?“ teilgenommen. Für das Jahr 2014 übernimmt das SOFI in Kooperation mit der Hans-Böckler-Stiftung zusammen mit der Ford Foundation und William Lazonick die Organisation der in Berlin für den November geplanten Konferenz.
In der Forschungslinie, die sich seit einiger Zeit mit ökologiebezogenen Innovationen befasst, startete in 2013 das Projekt „Reshaping institutions and processes in the transition towards renewable energy: lessons from bottom-up-initiatives“ (RESHAPE). Das Projekt wird vom Institut für Systemwissenschaften, Innovation und Nachhaltigkeitsforschung der Universität Graz (ISIS) gemeinsam mit dem SOFI durchgeführt und untersucht anhand eines österreichisch-deutschen Vergleichs die Rolle von Bottom-up-Initiativen in der Energiewende. Empirische Ergebnisse und theoretische Überlegungen aus der in den vergangenen Jahren am Institut durchgeführten sozialwissenschaftlichen Energieforschung greift eine internationale Buchveröffentlichung zum Thema „Renewable Energies“ auf, an der Rüdiger Mautz vom SOFI als Herausgeber und Autor beteiligt ist (Matthias Groß, Rüdiger Mautz: Renewable Energies. Routledge; voraussichtlicher Veröffentlichungstermin: September 2014).
In der Forschungslinie „globale Wertschöpfungsketten“ sind aus dem Projekt zu den Rückwirkungen „globaler Komponentenproduktion“ für hiesige Produktions‑ und Innovationsstrukturen zwei Aufsätze für ein internationales Publikum erschienen, die sich mit dem Ausmaß und Wegen des industriellen Upgrading in China im Zuge der Globalisierung der Produktionsnetzwerke befassen. Eine abschließende Buchveröffentlichung ist in Arbeit.
Sozialmodell: Arbeit ‑ Bildung ‑ Lebensweise im Umbruch
Charakteristisch für die Arbeit des Forschungsschwerpunkts ist der Brückenschlag von empirischen Einzelstudien zu Vorhaben der Sozialberichterstattung, die analytisches Wissen zu einem Bild der gesellschaftlichen Entwicklung zusammensetzen.
Im September 2013 nahm nach mehrjähriger Vorarbeit das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Verbundprojekt „Dritter Bericht zur sozioökonomischen Entwicklung in Deutschland“ (soeb 3) die Arbeit auf. Das SOFI koordiniert hier ein Verbundvorhaben, das mit insgesamt 17 wissenschaftlichen Einrichtungen größer ist als die vorausgegangenen, und ist an fünf der 18 inhaltlichen Arbeitspakete beteiligt. Im Forschungsschwerpunkt werden zu dem Bericht, der 2016 vorliegen wird, teils in alleiniger Verantwortung, teils mit Verbundpartnern Erwerbs‑ und Lebensverläufen mehrdimensional analysiert, die Teilhabewirkungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende und die Rolle des Übergangssystems für die Ausbildungs‑ und Erwerbschancen von Jugendlichen mit geringwertigen allgemeinbildenden Schulabschlüssen untersucht und Erwerbsverläufe und Altersübergänge mit Daten der Rentenversicherung typisiert. Zur Unterstützung des Verbunds koordiniert das SOFI die Entwicklung einer webbasierten virtuellen Forschungsumgebung für die gemeinsame Nutzung von Mikrodaten der Forschungsdateninfrastruktur. In der dritten Förderphase der Berichterstattung zur sozioökonomischen Entwicklung wird sich entscheiden, ob das vom SOFI maßgeblich mit entwickelte Profil einer teilhabeorientierten, interdisziplinären Berichterstattung zum Umbruch des deutschen Produktions‑ und Sozialmodells in eine Dauerbeobachtung überführt werden kann.
Im von der Kultusministerkonferenz (KMK) und dem BMBF getragenen fünften Bericht „Bildung in Deutschland“, der 2014 erscheint, verantwortet das SOFI federführend die Bereiche Berufliche Ausbildung und Weiterbildung und Lernen im Erwachsenenalter und leistet einen Beitrag zum aktuellen Schwerpunktthema, der Bildung von Menschen mit Behinderungen.
In der empirischen Bildungsforschung und in der Arbeitsmarktforschung verfolgt der Forschungsschwerpunkt das Ziel, Evaluationsaufträge mit eigenen wissenschaftlichen Untersuchungsvorhaben zu verbinden. Wie dies gelingen kann, zeigt exemplarisch die Längsschnittuntersuchung zu den Bildungsbiographien gering qualifizierter Jugendlicher, in der Erhebungen aus vier Evaluationsprojekten mit Fördermitteln des BMBF zum Aufbau und zur Pflege eines eigenen Paneldatensatzes genutzt wurden. Das so entstandende Panel wird auch für das SOFI-Arbeitspaket zum Übergangssystems in soeb 3 aufbereitet und analysiert.
Die neu begonnene Evaluationsstudie im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) zur Inanspruchnahme und Umsetzung der Leistungen für Bildung und Teilhabe stärkt die Verbindungslinie zwischen der empirischen Bildungsforschung und der arbeitsmarktpolitischen Evaluationsforschung. In diesem Verbundprojekt leitet das SOFI eine qualitative Implementationsstudie und kooperiert mit den vom Statistischen Bundesamt und dem Institut für Arbeitsmarkt‑ und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit verantworteten Teilprojekten.
Im Berichtsjahr befanden sich fünf Projekte zu Arbeitsmarktdienstleistungen in der Feld‑ und Auswertungsphase. Veröffentlichungen sind erst nach Projektabschluss und in Absprache mit den Auftraggebern möglich. Institutsintern wird an einer Projektentwicklung gearbeitet, die es auch in diesem Untersuchungsfeld ermöglicht, die in der Auftragsforschung gewonnene Empirie unter eigenen Fragestellungen nachzunutzen.
Verbindende Bezugspunkte für die verschiedenen Projekte des Forschungsschwerpunkts und für ihren Beitrag zum gesamten Forschungsprogramm des SOFI sind die sozialwissenschaftliche Fundierung des Teilhabebegriffs, die Lebensverlaufsperspektive und die Analyse des Betriebskontextes als Chancenstruktur. Diese Themen werden im Mittelpunkt der SOFI-Tagung „Work in Progress“ 2014 stehen, mit dessen Vorbereitung der Forschungsschwerpunkt im Berichtsjahr begann.
Die großen Verbundvorhaben, die im Forschungsschwerpunkt koordiniert werden, gaben im Berichtsjahr Anlass, die Kompetenz für ein professionelles interdisziplinäres Forschungsverbundmanagement zu stärken. Im Rahmen des Schwerpunkts arbeiten derzeit die Geschäftsstelle des Dritten Berichts zur sozioökonomischen Entwicklung in Deutschland und der Implementationsstudie zur Inanspruchnahme und Umsetzung der Leistungen für Bildung und Teilhabe. Mit Projektassistenz und Verbundmanagement entsteht neben den Stellen für Wissenschaftler/innen und Promovierende ein für das SOFI neues Tätigkeitsprofil.