Das SOFI im Jahr 2017
Entwicklung und Programmatik
Das Jahr 2017 war eine Wegmarke in der Entwicklung des Instituts. Das Jahr stand im Zeichen einer umfangreichen Evaluation des SOFI. Damit war eine intensive programmatische Diskussion und forschungsstrukturelle Erneuerung verknüpft.
Im Auftrag des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur (MWK) führte die Wissenschaftliche Kommission Niedersachsen (WKN) eine Strukturevaluation aller außeruniversitären wissenschaftlichen Einrichtungen des Landes durch – so auch des SOFI. Es galt, einen Fragenkatalog zu Profil, Leitbild und strategischer Planung, aber auch zu Organisation, Verwaltung und Infrastruktur, schließlich zu Forschung, Entwicklung und Nachwuchsförderung zu beantworten. Im August 2017 fand eine zweitägige Begehung der WKN und einer Evaluationskommission statt, in die auch das MWK, das Präsidium der Universität, das Kuratorium und externe Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartner eingebunden waren.
Das Institut sah sich in Selbstbericht und Begehung herausgefordert, Antworten zur wissenschaftlichen Profilbildung und Leistungsfähigkeit zu geben. Was ist der Weg in die Zukunft? Die Antworten haben Bestehendes bekräftigt, Implizites expliziert, Vorhandenes sichtbar gemacht – aber auch Neuem und Veränderungen Raum gegeben. Das Institut muss sich fortentwickeln – mit starken wissenschaftlichen Ansprüchen und gut erkennbaren wissenschaftlichen Positionen.
Im Zuge dieses beanspruchenden, aber auch wertvollen, da klärenden Prozesses standen die Formulierung und Organisation neuer Forschungsperspektiven des SOFI. Im Jahr 2017 fand eine markante forschungsprogrammatische Erneuerung statt und es wurden gleichermaßen stabile wie bewegliche, gut voneinander unterscheidbare, aber auch aufeinander bezogene Forschungsperspektiven entwickelt: „Arbeit – Organisation – Subjekt; „Sozioökonomie von Arbeit“ und „Erwerbsarbeit und Gesellschaftsordnung“.
Die Perspektiven nehmen unterschiedliche Blickrichtungen ein, sie teilen aber gemeinsame Fragen und Anliegen. Was trägt das Institut mit seiner Forschung zu der zeitdiagnostisch drängenden Frage bei, in welche Richtung sich eine Arbeitsgesellschaft entwickelt, die in Zeiten verschärfter sozioökonomischer Disparitäten, neuer technologischer Dynamiken und sich vervielfältigender Polarisierungen ihrer Institutionen nicht mehr sicher sein kann, ja in einer Gesellschaft, in der sich die Menschen in den Einrichtungen ihrer Gesellschaft fremd fühlen. Welchen Beitrag kann Forschung leisten, um neuen Ideen von Gleichheit und Emanzipation, von sozialer Sicherheit und Mobilität Raum geben zu können? Wie wird sich die Erwerbsarbeit entwickeln müssen, um diese Institutionen mit Leben zu füllen?
Damit ist die grundsätzliche Frage verbunden, in welcher Weise heute Wissenschaft und Gesellschaft korrespondieren. Wissenschaft und Forschung stehen im Spannungsfeld von gesellschaftlichen Interessen und Erwartungen – welche Interessen und Erwartungen sind hier im Spiel? Welche Möglichkeiten der „Wissenschaft in der Gesellschaft“ können wir unterscheiden? Wissenschaft kann ein Transmissionsriemen gesellschaftlicher Interessen sein, im Sinne einer Auftragsforschung; sie kann
ein Moderationsangebot in der Weiterentwicklung gesellschaftlicher Institutionen sein; Wissenschaft bewegt sich in einer Deutungskonkurrenz um die Konflikte der Gesellschaft; sie kann auch eine Öffentlichkeitsproduzentin sein – ein Ort, an dem unterschiedliche gesellschaftliche Akteure ein gemeinsames Forum finden.
Wenn sich das Institut ausgehend von seiner forschungsprogrammatischen Profilierung mehr und mehr den genannten Fragen zuwendet, kommen bewusst gewählte und nicht nur notwendigkeitsgetriebene Forschungs- und Entwicklungsstrategien in den Blick. Damit stellt sich schließlich eine für die Perspektive des SOFI weitere zentrale Frage, die im Berichtsjahr 2017 eine zentrale Rolle gespielt hat. In welche Kooperationen begibt sich das Institut, welchen Netzwerken schließt es sich an, welche Netzwerke begründet es selbst? Für die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit ist das eine ebenso entscheidende Frage wie für die wissenschaftliche Sichtbarkeit des SOFI.
Die im Jahr 2017 laufenden und neu startenden Projekten zeigen, wie selbstverständlich es für das Institut ist, in Kooperationen und Verbünden zu arbeiten. Diese Selbstverständlichkeit darf das SOFI freilich nicht zur der Haltung bringen, dass das Dabeisein schon alles wäre – auch über die Kooperationen gilt es, das Forschungsprofil zu schärfen. Das Institut ist hier auf gutem Weg – Selbstbericht und Begehung im Jahr der Evaluation machten das deutlich, aber auch die thematische Akzentuierung neu gestarteter Projekt lässt veränderte Schwerpunktsetzungen sichtbar werden.
Akzente der Forschungsarbeit
2017 war nicht nur Evaluationsjahr. Einige Aktivitäten gilt es darüber hinaus hervorzuheben. Drei Hefte der Mitteilungen aus dem SOFI erschienen, die mit ihren thematischen Orientierungen Zeichen setzten: „Konflikte in der Arbeitswelt“ als Heft 26 im Juni 2017, „Staatliche Verantwortung in der Arbeitsgesellschaft“ als Heft 27 im September 2017 und „Transnationale Entwicklungen: Globale Wertschöpfungsnetze und Lieferketten“ als Heft 28 im November 2017. Das Institut verfügt über keine stehende Redaktion für diese Publikationsreihe, sondern produziert die Mitteilungen im laufenden Geschäft der Forschungsarbeit. Doch diese außerordentliche Kraftanstrengung lohnt, denn die SOFI-Forschung wird auf diese Weise einer breiteren Öffentlichkeit sichtbar.
Öffentlichkeitswirksam waren auch drei SOFI-Veranstaltungen: Im Februar 2017 die Konferenz des Projektverbundes „eLabour“ und im Juni 2017 die viel beachtete internationale Tagung „Workers of the World“, die in Kooperation mit der Volkswagen-Stiftung im Schloss Herrenhausen in Hannover durchgeführt wurde. Im Februar 2017 feierte Prof. Dr. Michael Schumann, einer der Gründer des Instituts, seinen achtzigsten Geburtstag. Zu seinen Ehren fand im Mai in den Räumen der Historischen Sternwarte der Georg-August-Universität ein Kolloquium statt. Zahlreiche Gäste diskutierten zu diesem Anlass die Frage „Zeitenwende? Kontroll-, Perspektiv- und Traditionsverlust in der Gesellschaft – Motor für die neue Rechtsentwicklung“. Einmal mehr wurde deutlich, dass sich das SOFI als Institut der sozialwissenschaftlichen Grundlagenforschung durch die Fragen der Zeit herausgefordert sieht.
Akzente in der Forschungsarbeit werden schließlich in besonderer Weise durch Projektakquise gesetzt. Eine Reihe neuer, in 2017 begonnener Projekte verweist auf thematische Herausforderungen, aber auch auf die Stärke von SOFI-Forschungskontinuitäten. Gerade letzteres kommt dem wachsenden Bedarf an sozialwissenschaftlicher Expertise entgegen. Exemplarisch lässt sich das in den Themenfeldern Digitalisierung, soziale Ungleichheit und öffentliche Güter ablesen. Im Bereich der Digitalisierungsforschung etabliert sich das Institut in wissenschaftlichen Netzwerken und wird als Praxispartner einbezogen; in der Ungleichheitsforschung erweitert das Institut seinen methodischen Zugriff auf prekäre Arbeitsverhältnisse durch die systematische Einbeziehung von Haushalts- und Familienkontexten in qualitative Forschungsdesigns; mit Blick auf öffentliche Güter etabliert sich das Institut in Förderlinien, die ausdrücklich Fragen der Zukunft von Demokratie und Zusammenhalt thematisieren.