Projektinhalt

Projektziel: 

Grenzen der Arbeitszeit waren ein wichtiges Moment betrieblicher Konflikte seit den 1970er Jahren. Verhandelt wurde dabei im Spannungsfeld zwischen der Forderung nach flexibler Verfügbarkeit von Beschäftigten und deren Wunsch nach verbesserten Möglichkeiten der Lebensgestaltung. Das Projekt untersucht Zeit-Konflikte und fragt nach deren Bedeutung in einer sich schnell verändernden Arbeitswelt.

Projektbeschreibung: 

1. Kontext 

Seit den 1970er Jahren hat insofern ein Paradigmenwechsel in der Arbeitszeitpolitik stattgefunden, als diese sich stärker an Erfordernissen der Reproduktion von Arbeitskraft orientiert. In diesem Projekt werden diese Veränderungen auf der Grundlage einer Analyse betrieblicher Arbeitszeit-Konflikte analysiert, in denen (auch) Reproduktionsverhältnisse verhandelt werden. Dabei werden, in Kooperation mit der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg (HBS-Projekt „Gewerkschaftliche Zeitpolitiken“), gewerkschaftliche Positionen und tarifpolitische Entwicklungen systematisch einbezogen. Historiografisch ist der Gegenstand verbunden mit der Debatte um Brüche und Kontinuitäten in Erwerbsarbeit und Arbeitspolitik „nach dem Boom“: Insofern es arbeitssoziologische und historiografische Debatten zu Themen wie Entgrenzung berührt, untersucht das Projekt nicht nur die Frage nach den formalen Grenzen des Arbeitstags, sondern auch jene nach der Bedeutung von Zeit-Limits im Arbeitsprozess selbst.

2. Fragestellung 

Empirisch ausgehend von Material aus vorhandenen sozialwissenschaftlichen Untersuchungen wird gefragt, welche Konflikte die Neuorientierungen in der Arbeitszeitpolitik einerseits auf betrieblicher Ebene auslösten und wie sich andererseits veränderte Haltungen von Beschäftigten auswirkten. Dabei gerät gerade das Scharnier zwischen "Arbeit" und "Freizeit" in den Blick, also die Frage nach den konkreten Formen der Erosion des männlichen Alleinernährer-Modells, nach der Verteilung dessen, was Hochschild als die "zweite" und "dritte" Schicht bezeichnet hat. Im Fokus steht die betriebliche Ebene hier deshalb, weil dort Unternehmensstrategien von Arbeitskraftnutzung und die Reproduktionsbedarfe von Beschäftigten direkt aufeinandertreffen. Wie entwickelten sich Wünsche und Bedürfnisse in Hinblick auf Familienarbeit und Selbstsorge bei unterschiedlichen Beschäftigtengruppen und wie verliefen die Auseinandersetzungen um „Arbeit, die zum Leben passt“ in ausgewählten Konstellationen?

3. Untersuchungsmethoden 

Basis des Forschungsvorhabens ist einer Neuanalyse von arbeitssoziologischem Primärmaterial aus den Jahren 1970 bis 2005, so unter anderem zeitgenössische Interviews mit Arbeitenden, Beobachtungsprotokolle, Interviews mit betrieblichen Expert_innen. Ausgewertet werden, potentiell vergleichend, Studien aus bundesdeutschen Forschungsinstituten zu ArbeiterInnen und Angestellten in Industrie und Dienstleistungsbereich (von der Metallindustrie bis zum Einzelhandel, von Helfertätigkeiten im Autobau bis zu IT-Services). Ergänzend und kontextualisierend werden weitere historische Quellen aus Gewerkschafts- und anderen Archiven herangezogen. Methodologisch baut das Projekt auf jüngsten Erkenntnissen zur Sekundäranalyse qualitativer Forschungsdaten auf, die im Forschungsverbund eLabour in der Kooperation des Soziologischen Forschungsinstituts Göttingen und anderer arbeitssoziologischer Institute generiert werden.