Demokratische Partizipation in der Arbeitswelt. Zur sozialen Integrations- und Befriedungsfunktion kollektiver Arbeitsbeziehungen in Zeiten multipler Krisen und Transformationen (FGZ-Projekt)
Projektinhalt
Die Institutionen der Arbeitsbeziehungen, insbesondere Betriebs- und Tarifverfassung, bilden Arenen und Formen geregelter Konfliktaustragung und ermöglichen es so, potenziell zusammenhaltsgefährdende Konfliktdynamiken einzuhegen. Aktuell stehen diese Institutionen unter erheblichem Druck, der sich auf zwei zentrale Entwicklungen zurückführen lässt.
Zum einen verweist der kontinuierliche Rückgang des Deckungsgrads von Betriebsräten und der Tarifbindung sowie der Mitgliedszahlen der DGB-Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände auf eine längerfristige Krise und Erosion traditioneller Beteiligungsformen. Verbunden ist dies mit einer zunehmenden Ausbreitung von Zonen ohne Tarifbindung und Arbeitnehmervertretungen. Parallel dazu bilden sich Organisationen heraus, die sich als Alternativen zu den etablierten Gewerkschaftsstrukturen verstehen: Sparten- und Berufsgewerkschaften, die im geringeren Maß gesellschaftlich integrativ ausgerichtet sind, oder Organisationen wie das „Zentrum“, das sich selbst als alternative Gewerkschaft bezeichnet und antidemokratische Tendenzen aufweist.
Zum anderen ist die Arbeitswelt von tiefgreifenden Krisen- und Transformationsprozessen geprägt. Die Dekarbonisierung der Industrie, der demografische Wandel der Erwerbstätigen, die fortschreitende Digitalisierung der Arbeits- und Wertschöpfungsprozesse, aber auch ökonomische Problemlagen wie der Anstieg der Energiepreise wirken sich erheblich auf Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen aus. Diese Entwicklungen bringen ungleich verteilte Chancen und Risiken für verschiedene Beschäftigtengruppen, Tätigkeitsfelder und Branchen mit sich und gehen mit sozialen Spannungen und Verwerfungen einher.
Vor diesem Hintergrund institutioneller Erosion und arbeitsweltlicher Transformation wird untersucht,
a) inwiefern und auf welche Weise sich neue Konfliktkonstellationen und sich verschärfende Konfliktdynamiken herausbilden,
b) inwiefern, wie und unter welchen Bedingungen die Institutionen kollektiver Arbeitsbeziehungen ihre kooperativen Konfliktlösungs- und Kompromissbildungsfähigkeiten aufrechterhalten können und
c) wo Grenzen, Bruchlinien und zusammenhaltsgefährdende Effekte (der Desintegration und Exklusion) sichtbar werden.
In zeitdiagnostischer Absicht zielt die Untersuchung darauf, eine empirisch gesättigte Antwort auf die Frage zu geben, ob und unter welchen Bedingungen das deutsche Institutionensystem der Arbeitsbeziehungen in der Lage ist, in Zeiten multipler Krisen und Transformationen die ihm zugeschriebene soziale Befriedungs- und Integrationsfunktion weiterhin zu erfüllen.
Zur Beantwortung dieser Fragen setzt das Projekt auf einen zweigleisigen Forschungsansatz: Zum einen werden Fallstudien zu Transformationskonflikten auf Unternehmens- und Branchenebene durchgeführt. Zum anderen werden die Problemsichten, Strategien und Handlungsansätze von Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden und politischen Akteuren durch Expertengespräche erschlossen.