Schutz. Vertrauen. Versöhnung?! Pandemie-Reflexionen in Zeiten sozialen Long-COVIDs
Projektinhalt
Die Pandemie hat Spuren hinterlassen – nicht nur in medizinischer und therapeutischer Hinsicht, auch in sozialer und politischer. Die allerorten sichtbare Vertrauenskrise in Parteien, Staat und Institutionen lassen sich als Ausdruck eines „sozialen und politischen Long-COVID“ interpretieren. Spätestens mit der Pandemie ist die Vorstellung eines allumfassend versorgenden, eines die Lebensrisiken des Einzelnen weitgehend minimierenden Staates, an seine Grenzen gekommen.
Das bisherige Versäumnis einer multiperspektivischen und zukunftsorientierten Aufarbeitung der Pandemie, vor allem in Bezug auf Entscheidungsfindungen sowie hinsichtlich deren Umsetzung und Kommunikation mit der Bevölkerung, trägt maßgeblich zu der aktuellen Vertrauenskrise bei. Ein eindrückliches Beispiel dafür war das Gespräch zum fünften Jahrestag der ersten Corona-Infektion in Deutschland zwischen Thea Dorn und Karl Lauterbach in der Wochenzeitung „Die Zeit“ (Die Zeit, Nr. 3, 16.01.2025), das zwischen wenig einsichtig und kaum versöhnlich pendelte.
Das übergeordnete Ziel dieses Projekts ist es, die Umrisse dieses „sozialen Long-COVID“ herauszuarbeiten und sichtbar zu machen. Es geht uns um Zeitdiagnose und um die Kommunikation der Krisenverarbeitung. Daraus, so unsere Erwartung, lassen sich Schlussfolgerungen ziehen für resiliente Staatlichkeit und Gesellschaft, meint: öffentliche Handlungsfähigkeit in Zeiten der Krise. Mit Blick auf Fragen der Kommunikation und Konfliktbearbeitung geht es auch um die Rückgewinnung von Vertrauen.
Unser Vorhaben wird mittels strukturierter Zeitzeugeninterviews und Gruppendiskussionen eine doppelte Perspektive einfangen und abbilden: Es wird sowohl Entscheidern und Expertinnen, die an der Pandemie-Politik beteiligt waren, als auch jungen Erwachsenen (Studierenden und Auszubildenden), die von dieser Politik betroffen waren, eine Stimme geben. Sie erhalten über das Projekt die Gelegenheit zu einer Reflexion über Wirklichkeit und Wirkung der Pandemie. Die größten Schwach- und Schmerzpunkte, die von den Zeitzeugen identifiziert, erinnert und benannt werden, umreißen Felder für Reformen und lassen Handlungsbedarfe auf verschiedenen Ebenen erkennen. Sie werden zugleich den gedanklichen Raum aufmachen, um unser Verständnis vom Staat – und damit zugleich den Anspruch an ihn – neu zu verhandeln. Das Projekt will neuralgische Punkte der Interaktionen zwischen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft identifizieren, die mit dem Verlust an Vertrauen in Wissenschaft, Staat und Politik eng verknüpft und damit essentiell für Strategien zur Wiederherstellung des Vertrauens sind.
Um die Kommunikation und Aufarbeitung der Corona-Krise auch in die Gesellschaft hineinzutragen und sie daran teilhaben zu lassen, wird eine interaktive Installation entstehen, die vom „Forum Wissen“ der Universität Göttingen kuratiert und realisiert wird. Sie soll die Ergebnisse aus den im Rahmen des Projekts geführten Interviews und Gruppendiskussionen in Form ausgewählter kurzer Statements („O-Töne“) zugänglich machen. Zugleich werden Passantinnen und Passanten selbst auch die Gelegenheit erhalten, ihre persönlichen Erfahrungen aus der Corona-Zeit zu reflektieren und mitzuteilen.
Kooperationspartner
- „Forum Wissen“ der Universität Göttingen; Ansprechpartnerin Sandra Potsch
- Corona-Forschungsnetzwerk-Niedersachsen (COFONI); hier ist Berthold Vogel Co-Vorsitzender der Long-/Post-COVID-Forschung.



