Fernwirkungen und Parität im Arbeitskampf. Verfassungsmäßigkeit des § 160 Abs. 3 SGB III und Konsequenzen für das Arbeitskampfrecht
Projektinhalt
Das gemeinsam mit der Rechtswissenschaftlerin Professorin Dr. Eva Kocher (Viadrina Universität Frankfurt/Oder) durchgeführte Projekt fragt nach der Rechtswirksamkeit und nach den rechtspolitischen Konsequenzen einer Gesetzesnorm, die in den 1980er Jahren für große gesellschaftspolitische Aufregung und Aufmerksamkeit sorgte. Denn seit dem Inkrafttreten des § 116 Abs. 3 AFG (heute § 160 Abs. 3 SGB III) im Jahr 1986 können Beschäftigte, die von „Fernwirkungen“ eines Arbeitskampfs betroffen sind, als Ausgleich für das ihnen entgehende Entgelt nicht mehr auf Leistungen der Arbeitsförderung zurückgreifen. Die Freistellung von Beschäftigten aufgrund solcher Fernwirkungen wird auch als „kalte Aussperrung“ bezeichnet. Da die Parität in den Arbeitsbeziehungen in Deutschland verfassungsrechtliche Relevanz hat, ist die Norm des § 160 Abs. 3 SGB III von erheblicher rechtspolitischer Bedeutung. Das gilt insbesondere für die Automobilindustrie, aber auch für andere Bereiche der Metallindustrie und mehr und mehr auch für Teile des Dienstleistungssektors.
Das Bundesverfassungsgericht geht in seinem Urteil vom 4.7.1995 zwar davon aus, dass die Regelungen zur so genannten kalten Aussperrung die Kräfteverhältnisse im Arbeitskampf verändert haben. Gleichwohl hielt das Bundesverfassungsgericht in den 1990er Jahren Regelung und Rechtsnorm für „noch“ verfassungsgemäß. Die Betonung lag aber schon damals auf dem „noch“. Dem Urteil lagen Annahmen zur Arbeitskampfparität zugrunde, die der damaligen historischen Situation in der Arbeitswelt entsprachen. Mittlerweile haben sich die Verhältnisse deutlich verändert: Industrielle Produktion findet weit häufiger als noch zur Zeit der Normprüfung in den 1990er Jahren in forciert arbeitsteiligen und vernetzten Wertschöpfungsketten statt, zugleich ist die Arbeitswelt weit internationaler, digitalisierter, prekärer und vielgestaltiger geworden. Auch darf nicht übersehen werden, dass sich auch die Ansprüche und Bildungsvoraussetzungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Zeitraum grundlegend verändert haben. Das Projekt liefert mit Blick auf die Arbeitskampfparität eine soziologische Bestandsaufnahme, wie sich unter den veränderten Bedingungen die Wirksamkeit des §160 Abs.3 SGB III darstellt.
Im Rahmen des Projekts werden betriebliche Expertinnen und Experten in unterschiedlichen Branchen - schwerpunktmäßig in der Automobilindustrie - sowie Vertreter in Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden befragt.