Formalisierte und nicht formalisierte (informelle) Lernprozesse in Betrieben
Projektinhalt
Verschiedene Veröffentlichungen aus der Weiterbildungsforschung stimmen in der Diagnose überein, dass es seit einigen Jahren in Unternehmen einen Trend von formalisierter Weiterbildung zu informellen Lernprozessen gibt. Das von der Arbeitsgemeinschaft Betriebliche Weiterbildungsforschung (e.V.) ABWF geförderte Forschungsprojekt wollte überprüfen, ob es diesen Trend tatsächlich gibt, und wenn ja, welche Reichweite er hat und in welchen Erscheinungsformen er sich vollzieht. Dies schließt auch die Möglichkeit ein, dass es zu einer neuen Verschränkung formalisierter und informeller Lernprozesse kommt. Untersucht werden sollte ferner, wodurch der Wandel hervorgerufen wird, welche Interessen ihn befördern und/oder ihm gegebenenfalls auch im Wege stehen, und welche Konsequenzen sich aus ihm für die Organisation von vorberuflichen Lernprozessen und berufsbegleitendem Lernen ergeben. Angesichts der aktuellen Euphorie hinsichtlich der Bedeutung und der Effekte nicht-formalisierter Lernprozesse steht eine empirisch fundierte Überprüfung der intendierten und nicht-intendierten Folgen des behaupteten Trends aus.
Angesichts der unterschiedlichen Begriffe, mit denen sowohl innerhalb der Forschung als auch innerhalb des Praxisfeldes der behauptete Wandel beschrieben und analysiert wird, versuchten wir in einem ersten Arbeitsschritt eine kategoriale Klärung der Begriffe. Dies umfasst unter anderem die Abgrenzung informeller Lernprozesse sowohl von formalisierter Weiterbildung als auch vom "beiläufigen" Lernen im Prozess der Arbeit, das es ja, wenn auch nach Tätigkeitstyp und Bereich unterschiedlich, schon immer gegeben hat. Es musste zumindest damit gerechnet werden, dass der behauptete Trend zum Teil auf die Entdeckung und gesteigerte Aufmerksamkeit für "beiläufiges" Lernen in "communities of practice" zurückgeht, die nun gegebenenfalls bewusst gefördert werden.
In einem zweiten Arbeitsschritt wurde eine Bestandsaufnahme wichtiger Veränderungen von Arbeitsprozessen, Tätigkeitstypen und Beschäftigungsverhältnissen vorgenommen. Uns interessiert, wie sich dadurch die Anforderungsprofile und – gegebenenfalls dadurch ausgelöst – Lernanforderungen und –chancen verändern. Dieser Arbeitsschritt basierte im wesentlichen auf den Ergebnissen der neueren arbeits- und industriesoziologischen Forschung und benachbarter Disziplinen, die im Hinblick auf die hier interessierenden Fragestellungen gezielt ausgewertet wurden. Dies mündet in Arbeitshypothesen ein, die so formuliert sind, dass Raum für durchaus widersprüchliche Entwicklungen bleibt.
Die Tragfähigkeit der in den beiden ersten Arbeitsschritten erzeugten kategorialen Vorklärungen und Hypothesen wurde in explorativen betrieblichen Erhebungen überprüft. Sie sind so angelegt, dass sowohl unterschiedliche Formen und Ausprägungen organisatorischen Wandels als auch unterschiedliche Tätigkeitstypen, Beschäftigungsverhältnisse und Qualifikationsniveaus erfasst werden können. Die explorative Vorstudie mit einer Laufzeit von einem Jahr sollte die Grundlage für eine breitere empirische Untersuchung bilden. Diese sollte zum einen die Perspektiven und Wahrnehmungen verschiedener Beschäftigtengruppen, Ebenen und Funktionen erfassen, zum anderen über eine Panel-Untersuchung die Lernprozesse über das Lernen selbst, auf die es in der gegenwärtigen Umbruchs- und Experimentierphase in besonderer Weise ankommt, will man nicht nur den oftmals vielversprechenden Ankündigungen vertrauen.