Mehr Teilhabe ist möglich


Der erste Berichtsteil stellt den thematisch spezialisierten Berichtskapiteln der Berichtsteile II bis V drei Überblicks- bzw. Synthesekapitel voran, die Ergebnisse aus den verschiedenen untersuchten Teilbereichen aufeinander beziehen. Wie auch der auf zentrale Botschaften verdichtete Einleitungstext sollen diese drei Kapitel als „Türöffner“ zum Bericht dienen. Die Arbeitsteilung der drei Synthesekapitel orientiert sich an den Schritten der Umwandlung von gesellschaftlichen Teilhabebedingungen (Kapitel 01) in individuelle Teilhabeergebnisse (Kapitel 03); Kapitel 02 untersucht die Mechanismen dieses Umwandlungsprozesses.

In etwas mehr Worten gesagt: das erste Kapitel behandelt makroökonomische Bedingungen in Deutschland. Die makroökonomische Sichtweise ist eine aggregierende Perspektive auf eine Vielzahl ökonomischer Vorgänge. Sie dient dazu, einen Überblick über die Rahmenbedingungen zu geben, unter denen individuelle Wohlfahrt im Leben vieler Millionen Menschen hergestellt werden kann. Das zweite Kapitel geht auf die Umwandlung ökonomisch möglicher in gesellschaftlich realisierte Teilhabe ein, denn individuelle Teilhabe muss zunächst einmal hergestellt werden, sie ist nicht einfach da kraft formaler Zugehörigkeit einer Person zu einer bestimmten Gesellschaft oder kraft Aufenthalts in einer bestimmten Region. Insbesondere versucht das zweite Kapitel eine Erklärung der beobachteten Diskrepanz zwischen dem gesamtgesellschaftlichem Verteilungsspielraum („kollektives Budget“), der im ersten Kapitel als eher groß eingeschätzt wird, und den teilweise unbefriedigenden individuellen Verteilungsergebnissen, die im folgenden Kapitel detailliert dargestellt werden. Die zwischen Individuen unterschiedlichen Verteilungsergebnisse werden in diesem dritten Kapitel einerseits auf unterschiedliche Wahlhandlungen der Personen, andererseits aber auch auf ungleiche Handlungsspielräume dieser Personen zurückgeführt. Es wird somit eine differenzierte Perspektive eingenommen, für die nicht jeder Unterschied zwischen Personen eine Ungerechtigkeit, aber auch nicht jede Ungleichheit einen Ausdruck individueller Präferenz darstellt

Kapitel 01

Das Potenzial für Teilhabe – Spielräume und Risiken

Das erste Kapitel des Berichts "Das Potenzial für Teilhabe – Spielräume und Risiken. ", wurde von Thomas Drosdowski, Britta Stöver, Marc Ingo Wolter und Marcel Tyrell geschrieben.

Die Autor/inn/en kommen durch ihre Analysen zu der Kernbotschaft, dass die Bedingungen, unter denen sich Teilhabe realisieren kann, durch die Überlagerung der zahlreichen Einflussfaktoren eine Zäsur erfahren haben.

Das Produktions- und Sozialmodell in Deutschland wird durch eine Vielzahl von Entwicklungslinien (Megatrends) beeinflusst, die in ihrer Richtung und Stärke unterschiedlich verlaufen und sich gegenseitig überlagern, hemmen, ausgleichen oder verstärken. So wechseln sich nach der Wiedervereinigung gute konjunkturelle Lagen mit scheinbar häufiger auftretende Krisen („Dotcom-Blase“, Finanz- und Wirtschaftskrise) und anhaltenden Phasen der Stagnation ab. Der demografische Wandel ändert sich zweimal in Struktur und Richtung. Gleichzeitig gewinnt der Export weiter an ökonomischer Bedeutung, geopolitische Krisen füllen die Nachrichten. Die Reformen des Steuerrechts und des Sozialversicherungssystems schaffen unterdessen grundlegende Veränderungen auf gesellschaftlicher Ebene. Die Bedingungen, unter denen sich Teilhabe realisieren kann, haben durch die Überlagerung der zahlreichen Einflussfaktoren eine Zäsur erfahren: Nach einer Phase der Verschlechterung bis 2006 haben sie sich anschließend positiv entwickelt und erreichen 2016 hohe Werte. Gleichzeitig nehmen die Risiken (Eurokrise, Finanzmarkt, geopolitische Situation) zu, sodass die aktuell guten Teilhabebedingungen fragil sind. Bereits auf der gesamtwirtschaftlichen Ebene zeigt sich, dass sie für verschiedene Beschäftigtengruppen und Haushaltstypen ungleicher werden.

  • Poster Kapitel 1: Das Potenzial für Teilhabe – Spielräume und Risiken [PDF]

Kapitel 02

Wie Teilhabe produziert wird

Das Kapitel 02 von René Lehweß-Litzmann und Ortrud Leßmann beschreibt, wie gesellschaftlich gegebene Teilhabebedingungen in (unterschiedlich weitreichende) individuelle Teilhabe umgewandelt werden.

Die Autoren kommen durch ihre Analysen erstens zu der Botschaft, dass individuelle Erwerbsbeteiligung bei dieser Umwandlung insbesondere für Frauen einen immer wichtigeren Platz einnimmt, während andere Wege der Bedarfsdeckung wie die Umverteilung im Haushalt oder durch soziale Sicherungssysteme zusehends weniger Teilhabe vermitteln. Zweitens zeigt sich, dass die (relative) Aufwertung der Erwerbsarbeit für sozioökonomische Teilhabe in einem Spannungsverhältnis zur nachlassenden integrativen Kraft des Erwerbssystems steht: Die sowohl politisch forcierte als auch individuell häufig erwünschte Ausweitung der Erwerbsbeteiligung mündet in verschiedenste Formen der Beschäftigung und insbesondere in höchst unterschiedliche Lohnbedingungen. Die wachsende Heterogenisierung des Erwerbssystems führt deshalb zur Polarisierung von Teilhabepositionen. Ferner, dies ist die dritte zentrale Botschaft, verstärkt die Zunahme der Erwerbsbeteiligung Engpässe in der Reproduktion, also bei der Wiederherstellung individueller und gesellschaftlicher Arbeitskraft.

  • Poster Kapitel 2: Wie Teilhabe produziert wird [PDF]

Kapitel 03

Individuelle Teilhabemuster: Verschiedenheit und Ungleichheit

Das Kapitel 03: "Individuelle Teilhabemuster: Verschiedenheit und Ungleichheit" von Andrea Hense kommt durch ihre Analysen zu der Kernbotschaft, dass die gesellschaftlichen Möglichkeitsräume von Individuen unterschiedlich genutzt werden, weil sie unterschiedliche Präferenzen haben oder ihnen Teilhabemöglichkeiten versperrt sind.

Der Verbund untersucht individuelle Teilhabeergebnisse auf drei verschiedenen Dimensionen: materielle Teilhabe (Einkommen, Vermögen, Konsum), Erwerbsbeteiligung und Teilhabe an sozialen Nahbeziehungen. Insgesamt nimmt die Teilhabe an Erwerbsarbeit zu. Es zeigt sich jedoch ein Rückgang von integrativen Bildungs- und Arbeitsmarktverläufen sowie die Zunahme von Beschäftigung mit prekärem Potenzial, insbesondere bei niedriger Bildung, Frauen, jüngeren Kohorten und Ostdeutschen. Zudem wird ein Ausstieg aus Erwerbsprekarität und Arbeitslosigkeit unwahrscheinlicher. Die Verteilung der Primär- und Sekundäreinkommen wird ungleicher, besonders betroffen sind Ostdeutsche, Alleinerziehende und Arbeitslose. Zudem ist zukünftig – vor allem bei Frauen – mit mehr Altersarmut zu rechnen. Frauen-Verläufe sind stärker durch soziale Nahbeziehungen definiert, und Rentner/innen partizipieren mehr an sozialen Beziehungen. Einkommensprekarität und Armut führen jedoch zu Trennungen und zum Rückzug aus Sozialkontakten.

  • Poster Kapitel 3: Individuelle Teilhabemuster: Verschiedenheit und Ungleichheit [PDF]