Ungleiche Erwerbsteilhabe


Dem dritten Berichtsteil sind sieben Kapitel zugeordnet, die vom Forschungsdatenzentrum (FDZ-IAB) der Bundesagentur für Arbeit (BA) im Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg verantwortlich koordiniert werden. Alle Kapitel behandeln aus unterschiedlicher Perspektive Bezugsprobleme zwischen betrieblichen Strategien und Lebensweisen von Erwerbspersonen. Dabei werden drei wissenschaftliche Ziele verfolgt:

  • Betriebe bzw. betriebliche Beschäftigungssysteme als Gelegenheitsstrukturen für individuelle Teilhabe zu typisieren,
  • Lebens- und Erwerbsverläufe als Chancenstruktur zu typisieren, und
  • atypische Erwerbsformen mit prekärem Potenzial im Kontext des Lebensverlaufs zu analysieren.

Vertieft wird der in soeb 2 aufgenommene Ansatz, Betriebe als institutionelle Gelegenheitsstrukturen und betriebliche Strategien als Umwandlungsfaktoren für Teilhabechancen in die Berichterstattung einzubeziehen. Die Segmentierung des Beschäftigungssystems in interne und externe, primäre (chancenreiche) und sekundäre (potenziell prekäre) Arbeitsmärkte wird aus der Entwicklung von „Bezugsproblemen“ zwischen Teilhabeansprüchen der Beschäftigten und betrieblichen Strategien erklärt. Politischer Bezugspunkt dieser Kapitel sind die Konzepte der „Übergangsarbeitsmärkte“ und der „Flexicurity“.

Die Analyse von Lebens- und Erwerbsverläufen setzt die Arbeiten zu einer „Sozialberichterstattung im Längsschnitt“ fort, die in soeb 1 begannen und die bereits eine eigene Abteilung in soeb 2 bildeten. Der individuelle Lebensverlauf wird hier als zeitlich geordnete Chancenstruktur verstanden, die durch die Lebensverläufe anderer Personen und durch soziale Institutionen strukturiert wird und in der Lebensphasen und Übergangsereignisse einen inneren Zusammenhang bilden: günstige oder nachteilige Funktionen und Handlungsoptionen kumulieren im Lebensverlauf und können gesicherte oder prekäre Verlaufsmuster begründen. Die hier vorgeschlagenen Kapitel beobachten Teilhabeeffekte mittels bestehender Mikrodatensätze im Längsschnitt und entwickeln hierzu Indikatoren und Typisierungen. Der regulierte Arbeitsmarkt und der Wohlfahrtstaat der fordistischen Kapitalismusformation ermöglichte individuell planbare Lebensverläufe und wirkte zugleich standardisierend. Eine Leitfrage dieser Berichtsabteilung lautet daher: Wie hat sich im Umbruch des Produktions- und Sozialmodells das Verhältnis von Autonomie und institutioneller Prägung des Lebensverlaufs verändert? Wie weit ist die beobachtete Pluralisierung von Lebensverläufen Ergebnis von Individualisierung, d.h. eines Zuwachses frei zugänglicher Optionen der Lebensweise, und wo reproduzieren oder vertiefen lebensverlaufsrelevante bzw. lebensverlaufssensible Institutionen des Beschäftigungssystems und des Sozialstaats die sozialstrukturelle Ungleichheit der Optionen?

Die Arbeitswelt differenziert sich in vielfältige unterschiedliche Beschäftigungssysteme und Arbeitssituationen aus, in denen das Normalarbeitsverhältnis und die Normalerwerbsbio­grafie weiter den Erwartungshorizont vieler Beschäftigter prägen, jedoch als reales Muster neben andere treten. Dabei lässt sich allein von einem bestimmten Erwerbsstatus nicht mehr auf den Grad realisierter Teilhabe schließen; ob diskontinuierliche und atypische Beschäftigung in die „Zone der Prekarität“ führen, entscheidet sich erst in der Betrachtung längerer Verlaufsmuster (ebenso muss der Haushaltskontext berücksichtigt werden, vgl. Kapitel 14).

Arbeitspaket 04

Das Arbeitspaket 4 „Arbeitszeit“ (Forschungsteam Internationaler Arbeitsmarkt, FIA) soll die gewandelte Rolle der Arbeitszeit für die Regulierung von Arbeit, Einkommen und persönlicher Lebensführung nachzeichnen. Da Zeit als Maß aller Teilhabeaktivitäten von grundlegender Bedeutung für den sozioökonomischen Berichtsansatz ist und Arbeitszeiten Taktgeber für die nicht erwerbsgebundenen Aktivitäten der Wohlfahrtsproduktion sind, erhält die Analyse ihrer Dauer, Lage und Verteilung im Bericht gleiches Gewicht wie die Analyse der Einkommens- und Vermögensverteilung. Arbeitszeiten haben sich durch betriebliche und tarifliche Flexibilisierungsstrategien ausdifferenziert; sie dienen bei vielen abhängig Beschäftigten nicht mehr als Maßstab für das Entgelt, und für eine wachsende Gruppe von Erwerbstätigen wird eine präzise Abgrenzung von Arbeitszeit und Nichtarbeitszeit schwieriger. Unter diesen Bedingungen kann Arbeitszeitberichterstattung nicht mehr auf Durchschnittswerte abstellen; sie muss darstellen, wie allgemeine Entwicklungstrends verschiedene Beschäftigtengruppen unterschiedlich betreffen.

Das Untersuchungsdesign schreibt die in soeb 2 begonnene Arbeitszeitberichterstattung fort und entwickelt sie weiter. Da die Flexibilisierung von Arbeitszeiten sowohl die betriebliche Arbeitssituation als auch die Erwerbsmuster und die Lebensführung von Paarhaushalten verändert, bilden sowohl Personen als auch Haushalte und Betriebe Untersuchungseinheiten für die Arbeitszeitanalyse. Um Arbeitszeiten in den Kontext der Lebensführung im Haushaltszusammenhang zu stellen, werden vorrangig Daten aus Haushaltsbefragungen (MZ, SOEP, PASS) verwendet. Der Betriebszusammenhang wird u.a. durch das IAB-Betriebspanel und durch die auch in anderen Arbeitspaketen verwendeten Linked Employer-Employee-Daten des IAB (LIAB, vgl. AP 7, 8) einbezogen. International vergleichende Analysen sollen Hinweise auf den Einfluss gesetzlicher Regulierungen und gesellschaftlicher Rahmenbedingungen auf die Arbeitszeitmuster geben.

  • Poster Kapitel 7: Vereinbarte, tatsächliche und gewünschte Arbeitszeiten. [PDF]
  • Web-Tabellen Kapitel 7 [PDF]
  • Sopp, Peter/Wagner, Alexandra (2017): Vertragliche, tatsächliche und gewünschte Arbeitszeiten. soeb-Working-Paper 2017-1. [PDF]
  • Sopp, Peter/ Wagner, Alexandra (2015): Stabilität und Wandel der Normalarbeitszeit - eine geschlechtsbezogene Analyse der Arbeitszeitwünsche in Deutschland. Vortrag auf der Denkwerkstätte der FH Johanneum. University of Applied Science. Centrum für Sozialforschung an der Universität Graz in Zusammenarbeit mit der Arbeitszeitgesellschaft am 28./29.05.2015 in Graz. [PDF]
  • Sopp, Peter/ Wagner, Alexandra (2015): Arbeitszeitwünsche von Frauen und Männern - Einflussfaktoren und Realisierungschancen. Vortrag auf der Tagung der Hans-Böckler-Stiftung "Vom Nachbarn lernen? - Determinanten weiblicher Erwerbstätigkeit in der EU" am 10.3.2015 in Hannover. [PDF]

Kapitel 09

Teilhabe im Lebensverlauf – Deutschland im Vergleich

Tanja Schmidt

Die Analyse der Erwerbs- und Lebensverläufe zeigt, dass Teilhabe an sozialen Nahbeziehungen und Erwerbsteilhabe über viele Lebensjahre hinweg für Frauen und Männer sehr unterschiedlich sind. Die Verläufe der Frauen der betrachteten Kohorten und Länder sind wesentlich vielschichtiger, wechselhafter und turbulenter als die der Männer. Und diese Differenzierung nimmt für die jüngeren Kohorten zu. Im Ländervergleich zeigt sich, dass die nationale Regulierung und damit verbunden die entsprechende Kultur sehr wohl Lebensverlaufstypen strukturiert und damit Typen von Erwerbsteilhabe und Teilhabe an familiären sozialen Nahbeziehungen über den Lebensverlauf hinweg bedingen. Es gibt aber in den multivariaten Analysen auch Anzeichen dafür, in Deutschland und im Ländervergleich, dass die Zugehörigkeit zu bestimmten Lebensverlaufs- und damit Teilhabeverlaufstypen bedingt wird durch „übernationale“ Einflussfaktoren, wie etwa durch sehr gute Bildung. So führt beispielsweise hohe Bildung zu einer höheren Wahrscheinlichkeit einen Vollzeiterwerbsverlauf mit Familie zu leben. Es bleibt zu prüfen, ob die Erwerbs- und Lebensverläufe und die entsprechenden Teilhabeergebnisse im Lebensverlauf der noch jüngeren Kohorten, also der nach 1953 Geborenen, unabhängig vom nationalen Regulierungssystem noch größeren Veränderungen ausgesetzt sein werden und ob bei ihnen möglicherweise ausschließlich individuelle Merkmale die Lebensverläufe strukturieren werden.

  • Poster Kapitel 8: Erwerbsverläufe in Ost- und Westdeutschland nach der Krise. [PDF]
  • Web-Tabellen Kapitel 09. [PDF]
  • Lehweß-Litzmann, René (2016): Erwerbsverläufe in Kennzahlen: Ost- und Westdeutschland zwischen 2009 und 2014. soeb-Working-Paper 2016-7. [PDF]
  • Lehweß-Litzmann, René (2015): Präsentation des Verbunds soeb und des Arbeitspakets 5 im Rahmen eines InGRID Forschungsaufenthalts am HIVA Research Institute for Work and Society in Leuven. [PDF]
  • Schmidt, Tanja (2014): Poster zu dem Thema „Capabilities in Life Course“ auf der 4th International pairfam Conference zu „Linked life course transitions and family outcomes“ am 25.09.2014 in Köln. [PDF]

Kapitel 08

Erwerbsverläufe in Ost- und Westdeutschland nach der Krise

René Lehweß-Litzmann

Das Kapitel 8 zeigt, dass die Erwerbsintegration von Männern im Vergleich zu Frauen nach wie vor deutlich besser ist, allerdings erst ab der Haupterwerbs- und damit Familiengründungsphase. Weiterhin entschleunigt sich der Erwerbsverlauf mit dem Alter, es besteht bei Älteren weniger Fluktuation zwischen Beschäftigung, Leistungsbezug und Arbeitslosigkeit. Beschäftigte im ostdeutschen Arbeitsmarkt müssen mehr leisten, um dabei weniger zu erreichen: sie erhalten niedrigere Tageslöhne bei höherem Arbeitsvolumen. In Bezug auf die Frage, ob die hohe ostdeutsche Erwerbsbeteiligung dem Westen als Vorbild dienen kann, weist das Kapitel auf die kontinuierliche Verringerung weiblicher Vollzeitarbeit seit der Wende hin und bringt lange Teilzeit für beide Partner als Alternative zur Doppel-Vollzeit ins Spiel.

Arbeitspaket 05: Erwerbs- und Lebensverläufe

Ausgangspunkt für das Arbeitsprogramm von Arbeitspaket 5 „Erwerbs- und Lebensverläufe“ (bearbeitet durch Schmidt Sozialforschung und das Soziologische Forschungsinstitut [SOFI]) ist die Überlegung, dass sich in einem spannungsreichen Nebeneinander kontinuierlicher und diskontinuierlicher Erwerbsmuster und unterschiedlicher Familienarrangements die durchschnittliche Entwicklung einzelner Kennziffern des Lebensverlaufs nicht mehr eindeutig und zuverlässig interpretieren lässt. Empirisch gesicherte Typenbildung ist daher eine wesentliche methodische Voraussetzung für Dauerbeobachtung gesellschaftlicher Entwicklung mit Längsschnittdaten.

Das Arbeitspaket erfüllt eine Synthesefunktion für den Verbund, indem es biografiebezogene Kennziffern, die in verschiedenen Arbeitspaketen aus unterschiedlichen Datensätzen generiert wurden, zusammenführt und interpretativ verknüpft. Mit deskriptiven Kumulationsvariablen, die bereits in soeb 2 erarbeitete Kennziffern fortführen bzw. nach dem Kriterium der Fortschreibungsfähigkeit ausgewählt werden, sollen Lebensverläufe und ihre Veränderungen im Umbruch des sozioökonomischen Entwicklungsmodells überblicksartig beschrieben, nach Kontinuität und Diskontinuität der Erwerbsbeteiligung bewertet und typisiert werden.

Zweitens sollen für die Haupterwerbsphase biografiebezogene Indikatoren aus der Stichprobe der Integrierten Arbeitsmarktbiografien (SIAB) des FDZ-BA (IAB) für den aktuellen Rand und einen historisch früheren Bezugszeitraum berechnet werden, und die im betriebsbezogenen Arbeitspaket 7 genutzt werden können, um die Effekte betrieblicher Strategien des Arbeitskräfteeinsatzes zu beobachten. Vorgesehen ist ferner eine ereignisanalytische Untersuchung von Übergangswahrscheinlichkeiten aus verschiedenen Erwerbsstatus, z.B. nach arbeitsmarktpolitischer Intervention (und zum Vergleich auch ohne eine solche).

Drittens sollen für die Phase des jungen Erwachsenenalters sowie für die Phase des höheren Alters Verwirklichungschancen („capabilities“) analysiert werden. Dazu werden für beide Lebensphasen unterschiedliche Paneldatensätze verwendet, die neben Informationen zu den ausgewählten Dimensionen der Erwerbsbeteiligung und der persönlichen Lebensführung subjektive Einschätzungen der Befragten zu ihren Wahlmöglichkeiten, Wahlentscheidungen und Begründungen für die entsprechenden Entscheidungen enthalten und damit die Analyse, von veränderten Wahlmöglichkeiten und Entscheidungen ermöglichen. Für die Phase der Familiengründung soll der Paneldatensatz PairFam in Kombination mit demoDiff genutzt werden, für das höhere Erwerbsalter der Deutsche Alterssurvey. Zur Operationalisierung des Konzepts der „dynamic capabilities“ im Lebensverlauf sind verschiedene Methoden zu prüfen.

Viertens sollen Familien- und Erwerbsverläufe über den gesamten Lebensverlauf hinweg im internationalen Vergleich und in ihrer historischen Dynamik (Kohortenvergleich) beschrieben werden. Dabei soll der multidimensionale Zustandsraum aus dem jeweiligen individuellen Erwerbsstatus in Verbindung mit Informationen über Kinder bestehen. Als Datengrundlage für diesen sequenzanalytischen und komparativen Ansatz dient der Datensatz SHARELIFE.

Kapitel 10

Subjektive Prekaritätswahrnehmung: Soziale Ursachen und Folgen.

Andrea Hense

Die Autorin kommt durch ihre Analysen zu folgenden Kernbotschaften:

Wenn die Arbeitslosenquote wächst oder der wohlfahrtsstaatliche Schutz von abhängig Beschäftigten reduziert wird, steigt die selbst wahrgenommene Gefährdung der sozioökonomischen Teilhabe.
Sofern Individuen durch ihren Bildungsstatus oder ihre Erwerbstätigkeit privilegiert sind bzw. Einkommens- und Arbeitsplatzverluste im Haushalt besser kompensieren können , schätzen sie sich als weniger prekär ein. Die Wahrnehmung von Einkommensprekarität macht die Heirat oder den Zusammenzug von Paaren unwahrscheinlicher und erhöht die Wahrscheinlichkeit von Scheidungen.

Arbeitspaket 06: Ursachen und Folgen subjektiver Prekaritätswahrnehmung

Arbeitspaket 6 „Ursachen und Folgen subjektiver Prekaritätswahrnehmung“ (Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld) fasst Prekarität als Wandel der Chancenstruktur auf, die über sozialstaatlich regulierte Lohnarbeit vermittelt wird. Während Beschäftigungs- und Einkommensstabilität in den Arbeitspaketen 5 und 7 eher retrospektiv analysiert werden, hat das hier zugrunde liegende Prekaritätskonzept eine prospektive Ausrichtung: von Prekarität wird gesprochen, wenn die zukünftige Beschäftigungs- und Einkommenssicherheit von Erwerbspersonen als ungewiss und problematisch eingestuft wird und Sorgen über die Sicherheit des Arbeitsplatzes und über die ökonomische Situation artikuliert werden. Im Gegensatz zu anderen Prekaritätskonzepten, welche Prekarität an strukturellen Indikatoren festmachen, nutzt das Projekt subjektive Indikatoren. Dadurch kann die subjektiv wahrgenommene zukünftige Gefährdung der Erwerbsteilhabe erfasst werden, die entweder einer objektiven Statusverschlechterung vorausgeht oder die als kontrafaktische Verlustängste Folgen für die individuelle und familiale Wohlfahrtsproduktion hat. Im Arbeitspaket wird Prekaritätswahrnehmung zunächst unter Berücksichtigung des Forschungsstands theoretisch konzipiert. In einem zweiten Schritt wird deren zeitliche Entwicklung seit 1985 mittels Daten des SOEP beschrieben. Daran schließen sich multivariate Analysen zu den individuellen, familiären und betrieblichen Ursachen selbst wahrgenommener Einkommens- und Beschäftigungsprekarität an: Berücksichtigt werden der Haushalts- und Betriebskontext sowie der Lebensverlauf (z.B. Erwerbsbeteiligung und ökonomische Ressourcen im Haushalt,  Zeitpunkt und Erfahrung von Arbeitslosigkeit im Haushalt, soziale Herkunft, Art des Beschäftigungsverhältnisses, Betriebsgröße, Branche, Berufsstatus, Bildung). Folgen der Prekaritätswahrnehmung auf partnerschaftliche Beziehungen werden voraussichtlich in Bezug auf den Zusammenzug mit dem Partner, die Heirat und die Trennung vom Partner untersucht.

  • Poster Kapitel 9: Teilhabe im Lebensverlauf – Deutschland im Vergleich. [PDF]
  • Hense, Andrea: Measuring and Explaining Self-Perceived Employment Risks. Vortrag im Rahmen der 27th annual meeting of the Society for the Advancement of Socio-Economics (SASE) “Inequality in the 21st Century” vom 02.-04.07.2015 in Londo. [PDF]
  • Hense, Andrea: Prekarität von Beschäftigung. Vortrag auf den zweiten soeb-Werkstattgespräch am 04./05.12.2014 in Göttingen. [PDF]
  • Hense, Andrea: Sozialstaatliche Ursachen wahrgenommener Erwerbsprekarität. Vortrag auf der Veranstaltung "Revival oder Rückzug? Der Sozialstaat in Krisenzeiten" der Sektion Sozialpolitik im Rahmen des 37. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie am 06.-10.10.2014 in Trier. [PDF]
  • Hense, Andrea (2014): A Socio-Structural Explanatory Model of Self-Perceived Employment Risks. Vortrag auf der „ECSR 2014 Conference: Social Inequalities in Europe – On the Rise Again?“ am 25.09.2014 in Berli. [PDF]

Kapitel 11

Betriebliche Beschäftigungssysteme und ungleiche Erwerbschancen

Olaf Struck, Matthias Dütsch

Die Autoren kommen durch ihre Analysen zu dem Ergebnis, dass Segmentierung im Beschäftigungssystem fortbesteht:

  • Die Möglichkeiten der Erwerbsteilhabe sind durch individuelle Qualifikationsprofile, betriebliche Anforderungsprofile und die daraus resultierenden betrieblichen Beschäftigungsstrategien strukturiert.
  • Mit Blick auf das Beschäftigungssystem sind anhaltende Segmentierungen hinsichtlich der Einkommens- und Erwerbschancen beobachtbar.
  • Offene Beschäftigungssysteme, deren Bedeutung auch nach dem Jahr 2000 noch leicht gestiegen ist, sind voraussetzungsvoll, da die entsprechenden Individuen stetig (Weiter-)Qualifizierungen vollziehen und ihre beruflichen Qualifikationen erhalten müssen. 

Arbeitspaket 07: Erwerbsverläufe und betriebliche Beschäftigungssysteme

Gegenstand von Arbeitspaket 7 „Erwerbsverläufe und betriebliche Beschäftigungssysteme“ (Otto-Friedrich-Universität Bamberg) sind Effekte betrieblich generierter Arbeitsmarktsegmentierungen. Wie in vorausgegangenen Untersuchungen gezeigt, operieren Betriebe für jeweils unterschiedliche Organisationseinheiten und Mitarbeitergruppen mit unterschiedlichen Beschäftigungssystemen. Diese unterscheiden sich insbesondere durch die Dauer von Beschäftigungsverhältnissen und den Grad der Öffnung gegenüber externen Arbeitsmärkten sowie dadurch, wie die Verfügbarkeit anforderungsgerechter Qualifikationen quantitativ und qualitativ sichergestellt wird. Dabei entstehen insbesondere durch die Ausweitung offener Beschäftigungssysteme und externer Arbeitsmärkte Risiken für Beschäftigte, Betriebe und soziale Sicherungssysteme:

  • Für Beschäftigte sind instabile und kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse riskant, in denen geringe Handlungsspielräume, ein hoher Grad an Standardisierung und einfacher Routine etc. eine qualifikatorische Entwicklung verhindern.
  • Für Betriebe entstehen mittelfristig Verfügbarkeitsprobleme, auf qualifiziertes Personal zurückgreifen zu können, die durch die demografische Entwicklung verstärkt werden.
  • Aus gesellschaftlicher Sicht ergeben sich steigende Kosten für das soziale Sicherungssystem.

Im Arbeitspaket sollen insbesondere Effekte betrieblicher Arbeits- und Beschäftigungssysteme auf individuelle Erwerbsverläufe untersucht werden: Wie weit geht zunehmende Ungleichheit von Arbeits- und Lebensbedingungen auf Heterogenität zwischen Betrieben oder auf innerbetriebliche Segmentation zurück?

Wechselwirkungen zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgebermerkmalen werden auf der Grundlage des Längsschnittmodells des LIAB des IAB analysiert. Um das „qualitative Verfügbarkeitsproblem“ in betrieblichen Beschäftigungssystemen modellieren zu können, werden zunächst anhand der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2006 Berufe nach Spezifität, fachübergreifendem Qualifikationsprofil und Standardisierungsgrad klassifiziert, um anschließend mittels der Berufsangaben für die Betriebe im LIAB Anteilswerte einfacher bzw. standardisierter sowie komplexer beruflicher Tätigkeiten und betriebs- bzw. berufsspezifischer sowie allgemeiner beruflicher Anforderungsprofile zu bestimmen. Zudem werden die LIAB-Daten um regionale Indikatoren (Indikatoren und Karten zur Raum- und Stadtentwicklung in Deutschland und Europa [INKAR]) erweitert.

In Abstimmung insbesondere mit Arbeitspaket 5 werden stabile und instabile individuelle Erwerbsverläufe charakterisiert und betriebliche Beschäftigungssysteme nach soziodemografischen und erwerbsbiografischen Merkmalen der Beschäftigten beschrieben. Einflüsse der individuellen sowie betriebsstrukturellen Determinanten auf die Verweildauern im Betrieb bzw. auf innerbetriebliche Auf- und Abstiege werden mit multivariaten Verfahren (semiparametrische Cox-Modelle) geschätzt. Für jene Beschäftigtengruppen, die aus Betrieben austreten, wird gleichfalls mittels multivariater Verfahren geschätzt, welche Bedeutung Beschäftigungsstrukturen und arbeitspolitische Strategien der ehemals Arbeit gebenden Betriebe auf den weiteren Erwerbsverlauf, etwa auf überbetriebliche Auf- und Abstiege oder auf Phasen von Anschlussarbeitslosigkeit haben.

  • Poster 11: Betriebliche Beschäftigungssysteme und ungleiche Erwerbschancen. [PDF]
  • Dütsch, Matthias/ Struck, Olaf: Employment trajectories in Germany: do firm characteristics, regional disparities and the business cycle matter? Vortrag auf der 36th Annual Conference of the International Working Party on Labour Market Segmentation am 22./24.06.2015 in Athen. [PDF]
  • Dütsch, Matthias/ Struck, Olaf: Die Bedeutung von betrieblichen Beschäftigungssystemen für Erwerbsteilhabe. Vortrag auf dem zweiten soeb-Werkstattgespräch am 04./05.12.2014 in Göttingen. [PDF]
  • Struck, Olaf (2104): Arbeitsmarktpolitik und Arbeitsmarkt. Vortrag im Rahmen der SOFI-Tagungsreihe „Work-In-Progress: Teilhabebarrieren – Vielfalt und Ungleichheit im segmentierten Bildungs- und Beschäftigungssystem“ am 23./24.05.2014 in Göttingen. [PDF]
  • Struck, Olaf/ Dütsch, Matthias (2014): Atypische Beschäftigungen und berufliche Qualifikationsrisiken im Erwerbsverlauf. Vortrag auf der Jahrestagung des SAMF e.V. am 20./ 21.02.2014 in Berlin. [PDF]

Arbeitspaket 08: Linked-Employer-Employee-Daten

Das Arbeitspaket 8 “Linked-Employer-Employee-Daten” des Forschungsdatenzentrums (FDZ) der Bundesagentur für Arbeit (BA) im Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) unterstützt insbesondere die Arbeitspakete 4 und 7 durch die Bereitstellung und Pflege integrierter Personen- und Betriebsdaten. Die Linked-Employer-Employee-Daten des IAB (LIAB) ermöglichen die simultane Analyse der Angebots- und Nachfrageseite des Arbeitsmarktes. Hierzu wird eine Verbindung zwischen den Daten des IAB-Betriebspanels und den Personendaten des IAB hergestellt: Daten aus einer jährlichen repräsentativen Betriebsbefragung werden mit den prozessproduzierten Personendaten der Arbeitsverwaltung und der Sozialversicherung verknüpft.

Im Rahmen des Arbeitspakets hat das FDZ das LIAB-Längsschnittmodell entsprechend den im Arbeitspaketen 4 und 7 spezifizierten Analyseanforderungen überarbeitet und der Forschungsgemeinschaft als FDZ-Standardprodukt zur Verfügung gestellt. Das Längsschnittmodell LIAB LM 9310 umfasst auf der Personenseite den Zeitraum von 1993 bis 2010 sowie alle IAB-Betriebspanelwellen bis zum aktuellen Rand. Nähere Informationen zum LIAB LM 9310 finden Sie auf der Homepage des FDZ.

  • Klosterhuber, Wolfram (2014): Vorstellung des LIAB-Datensatzes, bei: Data treasures at the Institute for Employment Research, IAB, BA Nürnberg am 23.01.2014. [PDF]

Kapitel 12

Über Ausbildung in Arbeit? Verläufe gering gebildeter Jugendlicher

Mehr unsichere Verläufe für gering gebildete Jugendliche

Meike Baas, Veronika Philipps

Die Autorinnen kommen durch ihre Analysen zu der Kernbotschaft, dass der Schulabschluss zunehmend eine Rolle für einen gelingenden Berufseinstieg und eine stabile Arbeitsmarktintegration spielt: Für die Gruppe der Jugendlichen mit höchstens Hauptschulabschluss oder mit mittlerem Schulabschluss gibt es einen Anstieg an befristeten Beschäftigungsverläufen sowie Verläufen, die eine Exklusion vom Ausbildungs- bzw. Arbeitsmarkt darstellen. Zudem ist es für die Vermeidung eines „Exklusionsverlaufs“ zunehmend wichtig, einen mittleren Schulabschluss anstelle eines Hauptschulabschlusses zu erwerben. 

Arbeitspaket 09: ‘Nicht für die Schule – für den Arbeitsmarkt lernen wir.‘ Aber für welchen?

„‘Nicht für die Schule – für den Arbeitsmarkt lernen wir.‘ Aber für welchen?“ ist der Titel des vom Soziologischen Forschungsinstitut (SOFI) bearbeiteten 9. Arbeitspakets. Es fragt zunächst danach, welche Ausbildungsmuster zu welchen Erwerbsmustern führen und wie sich diese im Zeitverlauf wandeln. Wie unter anderem Analysen in soeb 2 zeigten, sind sowohl die Ausbildungsphase zwischen Schule und Beruf als auch die Übergänge von der Ausbildung ins Erwerbsleben komplizierter, weniger geradlinig und weniger regelhaft geworden. Da Schul- und Ausbildungslaufbahnen heute stärker als früher die späteren Arbeitsmarktchancen bestimmen, sind für Geringqualifizierte aufgrund mangelnder schulischer und/oder beruflicher Bildung allenfalls prekäre Muster der Erwerbsbeteiligung erreichbar.

Verlaufsstrukturen im Ausbildungs- und Erwerbssystem sollen in diesem Arbeitspaket im Kohortenvergleich und im Zusammenhang mit sozialstrukturellen Merkmalen und Haushaltsinformationen systematisch beschrieben und mittels Sequenz- und Clusteranalyse typisiert werden. Geeignete Paneldaten bietet hierfür insbesondere Etappe 8 „Bildung im Erwachsenenalter und lebenslanges Lernen“ des Nationalen Bildungspanels (NEPS).

Hieran soll sich eine Analyse von Gatekeeping-Prozessen im sog. „Übergangssystem“ anschließen, das die Ausbildungs- und Erwerbsverläufe von gering Qualifizierten in besonderem Maße durch sozialstaatliche Intervention strukturiert. Im Rahmen des Übergangssystems wurden ausschließlich Bildungsangebote geschaffen, die zu keinem anerkannten Berufsabschluss führen. Zudem wurden berufsvorbereitende Maßnahmen für leistungsschwache Jugendliche in die Schulzeit vorverlagert. Allerdings ist aufgrund bisheriger Erkenntnisse zu fragen, ob diese Interventionen tatsächlich die angedachte kompensatorische Funktion erfüllen, die Aufnahme einer regulären Ausbildung vorzubereiten, oder ob sie möglicherweise selbst zur Verfestigung von Bildungsarmut im Lebensverlauf beitragen. Die institutionelle Logik dieser Interventionen soll rekonstruiert werden und ihre Effekte sollen mittels Längsschnittdaten analysiert werden. Da Teilnehmer/innen an berufsvorbereitenden Maßnahmen im NEPS unterrepräsentiert sind, wird der Einfluss des Übergangssystems auf die Ausbildungs- und Erwerbsverläufe von Jugendlichen anhand aktualisierter Befragungsdaten für ein Panel von Hauptschüler/innen aus Niedersachsen analysiert, das am SOFI erhoben wurde. Als „Gatekeeper“ wurden auch Betriebe zu ihren Rekrutierungsstrategien befragt.

  • Poster 12: Über Ausbildung in Arbeit? Verläufe gering gebildeter Jugendlicher. [PDF]
  • Web-Tabellen Kapitel 12 [PDF]
  • Baas, Meike/ Philipps, Veronika: Veränderungen von Chancen und Risiken bei Arbeitsmarkteintritten: Eine integrierte Analyse von Bildungs- und Erwerbsverläufen. Vortrag im Rahmen der Jahrestagung des SAMF e.V. zum Thema "Welche Bildung braucht der Arbeitsmarkt?“ [PDF]
  • Kohlrausch, Bettina/ Richter, Maria/ Schmidt, Tanja (2014): Mobilitätsbarriere oder zweite Chance? Verläufe im Übergangssystem. Vortrag im Rahmen der SOFI-Tagungsreihe „Work-In-Progress: Teilhabebarrieren – Vielfalt und Ungleichheit im segmentierten Bildungs- und Beschäftigungssystem“ am 23./24.05.2014 in Göttingen. [PDF]