Werkstattgespräch

Werkstattgespräch „Über Teilhabe berichten“

Sozialberichte bewerten gesellschaftliche Entwicklung nach ihren individuellen Wohlfahrtseffekten. Gleichheitsnormen und Gerechtigkeitsvorstellungen entstehen in politischen und gesellschaftlichen Diskursen und folgen der gesellschaftlichen Entwicklung. Wissenschaftsgestützte Sozialberichterstattung kann den normativen Gehalt solcher Maßstäbe „guten Lebens“ und die darin enthaltenen Gleichheitsansprüche rekonstruieren und in Beobachtungskonzepte und Indikatoren übersetzen.

Ob im Bund, auf Landesebene oder in der Kommune, gleich für welches Politikfeld oder für welchen Gegenstandsbereich – kaum ein Sozialbericht, der in jüngerer Zeit in Deutschland erschienen ist, kommt ohne Bezugnahme auf Teilhabe aus. In der Auseinandersetzung dar-über, was gesellschaftliche Gleichheitsnormen verletzt und wofür sozialstaatlicher Ausgleich sorgen soll, bildet Teilhabe offenbar den notwendigen Gegenbegriff zu Prekarität und Ausgrenzung. Dabei bezeichnet der Begriff durchaus Verschiedenes: eine mehr oder weniger weit gefasste Dimension von Wohlfahrt und Ungleichheit („Soziales und Teilhabe“, „mehr oder weniger Teilhabe“), einen Grundsicherungsanspruch („Mindestmaß an Teilhabe“), ein Gleichstellungsziel („gleichberechtigte Teilhabe“, „Inklusion“), oder Gestaltungsmöglichkeiten am Arbeitsplatz oder in der Gesellschaft („Partizipation“). Einige dieser Lesarten beziehen sich auf Rechtsnormen, andere nicht.

Im Bericht der Enquête-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ (2013), der in dieser Wahlperiode den Ausgangspunkt einer Regierungsstrategie „Gutes Leben – Lebens-qualität in Deutschland“ bilden soll, stehen diese verschiedenen Begriffsverwendungen nebeneinander: Teilhabe als außerökonomische Wohlfahrt („Wohlstand im weiteren Sinne“, „Lebensqualität“, „soziale Inklusion“), als Norm gerechter Verteilung materiellen Wohlstands („ökonomische Inklusion“), als Gleichstellungsanspruch und als demokratische Gestaltung. Zugleich werden mit Erwerbsteilhabe, Konsumteilhabe und kultureller Teilhabe verschiedene Wohlfahrtsdimensionen unterschieden.

Offenbar hat die wissenschaftliche Verständigung über den Teilhabebegriff und über die empirische Untersuchung von Teilhaberisiken – und -chancen – mit dem diskursiven Gebrauch nicht Schritt gehalten. Der wissenschaftliche Beirat zum Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen (2013) merkt an, das Konzept der Teilhabe sei „bislang weder rechtlich noch wissenschaftlich hinreichend geklärt“.

Das Werkstattgespräch ist für den Verbund Teil einer Selbstverständigung über Teilhabe als Leitkonzept der Sozialberichterstattung und der Wohlfahrtsmessung. Eine breitere Verständigung über die wissenschaftliche Verwendung des Begriffs und über seine methodischen Konsequenzen erscheint zugleich lohnend, damit zwischen unterschiedlichen Politikfeldern und Berichtsansätzen künftig in der gemeinsamen Bezugnahme auf die Teilhabenorm eine wissenschaftlich ausgewiesene Beobachtung gesellschaftlicher Entwicklung gelingt.

Beiträge:

  • Nicole Mayer-Ahuja: Regulierung des Umbruchs - Einleitungstatement: [PDF]
  • Nicole Mayer-Ahuja: Regulierung des Umbruchs - Folien: [PDF]
  • Ludger Pries: Struktur und Regulierung von Erwerbsarbeit: [PDF]
  • Diana Auth: Regulierung von Arbeitszeit: [PDF]
  • Claus Schäfer: Regulierung von Einkommen: [PDF]
  • Martin Baethge/Markus Wieck: Regulierung von Bildung: [PDF]
  • Heike Solga: Gering Qualifizierte als Regulierungsproblem: [PDF]
  • Sigrid Betzelt: Lebensläufe und Geschlechterarrangements: [PDF]
  • Dorit Sing: Übergang in den Ruhestand: [PDF]
  • Hans Walter Schmuhl: Geschichte der Arbeitsmarktpolitik: [PDF]
  • Max Koch: Arbeitsmarkt im internationalen Vergleich: [PDF]
  • Ulrike Kress: Arbeitsmarktmonitoring: [PDF]
  • Volker Baethge-Kinsky: Monitoring und Sozialberichterstattung: [PDF]